Belehrungsblatt 5 (Ziffern 117 bis 124)Belehrungsblatt 5 (Ziffern 128 bis 133)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 5
Unfall mit zer- schellter Bombe (siehe Abb. 70)
125.

Wie bereits im Belehrungsblatt 4, Ziff. 106. mitgeteilt wurde, ist bei zer-schellten Bomben größte Vorsicht am Platze. Die Auswertung der Unfallakte eine Unfalles mit tödlichen Folgen ergab, das eine englische Langzeitzün-derbombe GP 250 LB mit eingebautem Langzeitzünder zerschellt und dabei der größte Teil des Sprengstoffes herausgefallen war. Es wurde der Bom-benboden mit der abgebrochenen hinteren Schlagbolzenhülse und dem herausragenden hinteren Schlagbolzen gefunden und die Bombe daraufhin für ungefährlich erklärt, ohne das ein Feuerwerker hinzugezogen wurde. Man nahm an, es sei eine Bombe mit Aufschlagzünder gewesen. Die Bruch-stelle ist in Abb. 70 dargestellt. Der Rest der Bombe, in deren Spitze sich noch etwas Sprengstoff befand, enthielt noch das abgebrochene Zentral-rohr (Zünderschutzrohr) mit dem eingebauten Langzeitzünder Nr. 17. Der Rest des Sprengstoffes detonierte beim Abtransport und es gab Tote und Verletzte. Hierbei ist zu bedenken, daß allein die im Zünderschutzrohr sit-zende Übertragungsladung die Wirkung einer Handgranate hat. Es ist daher in ähnlichen Fällen, in denen zerbrochene, scheinbar harmlose Bombenreste gefunden werden, stets das Sprengkommando zur Beseitigung hinzuzuzie-hen. Bis dahin sind alle für LZZ-Bomben erforderlichen Sicherheitsmaßnah-men zu treffen.

Gefahrlose Vernichtung englischer Brandbomben INC 30 LB
126.

Die große Giftigkeit der Brandmasse in den englischen Phosphor-Brandbom-ben 14 kg (INC 30 LB) – siehe Belehrungsblatt 4 Ziff. 112 – erfordert be-sondere Maßnahmen bei ihrer Vernichtung. Versuche haben folgende zweckmäßige und ungefährliche Vernichtungsart ergeben:

a)

Bomben, deren Zünder herausgeschraubt werden können.

Die Zünder werden entfernt. In den Bombenmantel werden sodann mit einer Spitzhacke 4 bis 6 Löcher geschlagen. Dann wird die Bombe in einem Holzfeuer abgebrannt. Es können bis zu drei Bomben gleichzeitig in einem Scheiterhaufen unschädlich gemacht werden. Das Feuer ist so lange zu unterhalten, bis die Mäntel der Bomben rotglühend sind. Die Zünder sind nach den hierfür geltenden Vorschriften zu vernichten.

b)

Bomben, deren Zünder sich nicht herausschrauben lassen.

 

Die Bomben sind in einer Grube von 0,6 m Breite, 1 m Länge und 1 m Tiefe mit einem Sprengkörper 28, der in Höhe der Schwarzpulverladung, also auf dem hellroten Farbstreifen der Bombe, mit Isolierband befestigt wird, zu sprengen. Die Bombe ist waagerecht auf den Boden der Grube zu legen und darf nicht mit Erde bedeckt werden. Die Grube ist mit Reisig (wenn möglich, Tannenreisig mit Nadeln) 0,5 bis 1 m hoch zu überdecken. Die Grube selbst darf dabei nicht mit Reisig ausgefüllt werden. Sicherheitsabstand bei der Sprengung mindestens 100 m. Durch die Sprengung wird das Reisig, an dem sich Reste der selbstentzündlichen und giftigen Brandmasse (Phos-phor-, Schwefel-, Kautschukbestandteile) befinden, bis zu 10 m im Um-kreis umhergeschleudert. Das Reisig ist nach der Sprengung mit Schaufeln in die Grube zu werfen und dort gemeinsam mit der brennenden Bombe ab-zubrennen. Das Feuer ist so lange zu unterhalten, bis die Reste des Bom-benmantels ausgeglüht sind. Etwaige umhergespritzte unverbrannte Rest sind in die Grube zu werfen. Die Grube ist sorgfältig wieder auszufüllen. Es darf jeweils nur eine Bombe gesprengt werden.

    Siehe auch Ziffer 142.
Sprengstoffe
in englischen
und amerika- nischen Bomben
127.

Seitens des Feindes werden bewußt irreführende Gerüchte über die Ver-wendung von flüssigen Gasen (Helium, flüssige Luft usw.) oder komprimier-ten Gasen in Bomben zur Verbesserung der Sprengwirkung verbreitet. Diese Gerüchte haben nur den Zweck, der englisch-amerikanischen Öffentlichkeit durch Züchtung eines vollkommen unberechtigten Überlegenheitsgefühls hinsichtlich der Leistungen der amerikanischen Munitionsindustrie den Rük-ken zu stärken und sollen andererseits zur Einschüchterung der deutschen Zivilbevölkerung dienen – ganz abgesehen davon, daß Helium wegen seiner Reaktionsunfähgikeit für diese Zwecke nicht in Frage kommt. Die Nennung des Heliums in diesem Zusammenhang soll bei Nichtfachleuten eine morali-sche Wirkung erzielen, weil allgemein bekannt ist, daß Amerika alleiniger Besitzer alles Heliums ist. Siehe auch "Lufttorpedos", Ziffer 52 im Beleh-rungsblatt 2.

Wenn auch im Bergbau teilweise noch flüssige Luft zu Sprengungen (Oxy-liquid) verwendet wird, so geschieht das nur aus Sicherheitsgründen. Die Bestandteile der Flüssigluft- Sprengstoffe, der Kohlenstoffträger (Holz-kohle, Ruß u.a.) und flüssige Luft, sind einzeln ungefährlich und lassen sich ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen lagern und befördern. Erst an der Sprengstelle werden sie gemischt, zersetzen sich aber nach kurzer Zeit durch Verdunstung und Erwärmung der flüssigen Gase. Versagerschüsse sind daher nach kurzer Zeit ungefährlich. Die Leistung der Sprengmittel mit flüssigen Gasen bleibt aber sehr weit hinter der neuzeitlicher deutscher fester Sprengstoffe zurück. Das ist auf schlechte Ladedichte zurückzufüh-ren. Theoretisch reicht die Leistung flüssiger Sprengstoffgemische unter günstigsten Voraussetzungen gerade noch an die Leistung der zur Zeit beim Feinde gebräuchlichen festen Sprengstoffe heran. Es ist trotzdem die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die Engländer aus Rohstoff-mangel trotz der damit verbundenen Nachteile gelegentlich flüssige Sprengstoffe verwenden werden.

Die Verwendung flüssiger Sprengstoffe oder Gase, auch komprimierter Gase ist wegen der umständlichen Handhabung und aus Beschußsicherheitsgrün-den – abgesehen von den geringen Leistungen – für Bomben, besonders mit m.V.- Zündungen, auch als Zusatzladungen unzweckmäßig. Die bisher gefundenen amerikanischen Bomben waren entweder mit Tri (als Friedens-fertigung) oder mit Ammoniumnitrat-Tri-Gemisch gefüllt; die englischen dagegen mit den weiter unten beschriebenen Sprengstoffen.

   

Sprengstoff-Kennzeichnung englischer Bomben.

Die englischen Bomben werden, nachdem in der Füllstelle der Sprengstoff eingebracht ist, mit einem grünen Ring versehen. Handelt es sich um Minen zur Verwendung im Wasser, so wird nach den bisherigen Erfahrungen ein Ring von grünen Kreuzen verwendet. Besteht die Füllung aus reinem Trini-trotoluol, so werden auf dem grünen Ring die schwarzen Buchstaben T.N.T. aufschabloniert. Besteht die Füllung aus einem Gemisch aus Ammo-niumnitrat und Trinitrotuluol z.B. 80% Ammoniumnitrat und 20% Trinitrotu-luol, so wird 80/20 aufschabloniert. Die unter oder hinter dem Bruchstrich stehende Zahl bedeutet den Anteil an Trinitrotuluol gewichtsmäßig (nicht volumenmässig).

Achtung ! Deutsche Sprengstoffkennzeichnung hat das Tri über dem Bruchstrich stehen.

   

Beschreibung und allgemeine Angaben über die in der englischen Luftwaffe verwendeten Sprengstoffe.

   

Pikrinsäure (Trinitrophenol) C6H2(NO2)3OH, deutsche Bezeichnung "Granat-füllung 88", abgekürzt "Grf. 88".

Da sie mit Metallen hochexplosive, schlagempfindliche Salze (Pikrate) bil-det, kann sie nur in solchen Sprengkörpern verwendet werden, die ein Einloborien des Sprengstoffes in Pappbüchsen erlauben. Wird es in gegos-sener Form verwendet, so ist die englische Bezeichnung "Lyddite". Auch diese Art des Sprengstoffes wird bei modernen Bomben nicht mehr verwen-det, da der Sprengstoff verhältnismäßig schlagempfindlich ist und bei m.V.-Würfen oder Panzergeschossen oft vorzeitig und unvollständig detoniert.

   

Trinitrotoluol: Englische Bezeichnung "T.N.T." = Trinitro-Toluene" oder "Trotyl" C6H2(NO2)3CH3.

Es enthält zur Phlegmatisierung bis zu 7% Bienenwachs beigemischt. Da es bei etwa 80 bis 82 Grad gießbar ist, eine lange Lagerfähigkeit besitzt und gegen Witterungseinflüsse praktisch unempfindlich ist, wurden die Frie-densbestände der Bomben fast ausschließlich mit diesem Sprengstoff ge-füllt.

   

Amatol: Ist die englische Bezeichnung für mechanische Mischung aus Am-moniumnitrat NH4NO3 und Trinitrotoluol C6H2 (NO2)3CH3. (In Deutschland werden als "Amatole" andere, allerdings auch Ammoniumnitrat enthaltende Sprengstoffe bezeichnet.)

Es werden Mischungen 80/20 bis zu 40/60 verwendet. Die Mischung ist leicht herstellbar, und, da Trinitrotuluol Sauerstoffunterschuß, Ammonium-nitrat dagegen Sauerstoffüberschuß hat, ergibt sich nach Ansicht der Eng-länder eine sehr günstige Mischung beim Verhältnis 80/20 (allerdings auf Kosten der Detonationsgeschwindigkeit). Amatol ist jedoch sehr feuchtig-keitsempfindlich und daher für friedensmäßige Einlagerung oder Verwen-dung auf See wenig geeignet. Es erfordert besondere Dichtungsmaßnah-men und wird daher nur im Kriege benutzt. Mit Ausnahme der Panzerbom-ben und der kleinen Splitterbomben, bei denen besondere Anforderungen an die Gießbarkeit des Sprengstoffes gestellt werden, sind jetzt alle ge-bräuchlichen Bomben der Engländer und Amerikaner mit Amatol gefüllt. Amatol geht mit Kupferlegierungen (Messing, Bronze) eine gefährliche Ver-bindung ein. Es bilden sich blaue, hochexplosive und schlagempfindliche Salze aus Kupfer-Tetraminnitrat. Der Einbau der Zünder vermeidet daher sorgfältig eine Berührung mit der Sprengstoffüllung der Bombe. Bei be-schädigten oder zerschellten Bomben, auch solchen mit Aufschlagzündern, ist daher infolge Einwirkung der Luftfeuchtigkeit größte Vorsicht am Platze, insbesondere, wenn die Bomben längere Zeit im Boden oder an der Luft ge-legen haben.

   

Baratol: Ist ein mechanisches Gemenge von Trinitrotuluol und Bariumnitrat, Ba(NO3)2.

Nach erbeuteten Schriftstücken wird es in den Mischungsverhältnissen 70/30 bis 10/90 verwendet. Anscheinend wurden mit dieser Mischung keine guten Erfahrungen gemacht oder es bestanden Rohstoffschwierigkeiten, denn bisher wurden noch keine Bomben mit dieser Füllung gefunden.

   

Shellite: Dieser Sprengstoff stellt eine Mischung aus Pikrinsäure C6H2(NO2)3OH mit Dinitrophenol C6H3(NO2)2OH dar. Nach englischen An-gaben wurde es in einigen Fällen in panzerbrechenden Geschosse und Bom-ben einlaboriert. Es muß jedoch vor Berührung mit Metallen oder Berührung mit den Übertragungsladungen aus Tetryl geschütze werden.

   

C.E. (Composition Exploding = Tetryl).

Die meisten englischen Übertragungsladungen bestehen aus Tetryl (Engli-sche Bezeichnung: "C.E.-Pellet"). Tetryl = Trini- tro-Phenyl-Methyl-Nitro-amin = C6H2(NO2)3N.NO2CH3. Deutsche Bezeichnung: Tetranitromethyl-anilin. Nur in einigen mit 80/20 gefüllten Bomben befinden sich auch "T.N.T. -Pellets", gepreßte Übertragungsladungen aus Trinitrotoluol. Tetryl kann nur in gepreßter Form verwendet werden, da es sich in der Nähe seines Schmelzpunktes umsetzt. Es ist nicht ganz so stabil wie Trinitrotuluol. Es muß vor Berührung mit Sprengstoff, die pikrinsäurehaltig sind, geschützt werden.

Es ist verhältnismäßig feuchtigkeitsunempfindlich und kann daher in ge-preßter Form mit Papierhülle als Übertragungsladung in Mundlochbuchsen, zu denen die Außenluft Zutritt hat, verwendet werden.

Die Farbringkennzeichnung geschieht bei allen Sprengstoffen durch einen grünen Ring. Der rote Ring wird angebracht, wenn die Übertragungsladun-gen oder auch die Zünder (aber ohne Detonatoren) eingebaut sind.

Da in England die Bestimmung besteht, daß die Detonatoren erst beim Be-laden der Flugzeuge in die Bomben eingesetzt werden dürfen und die Lang-zeitzünder einschließlich Übertragungsladungen aus Geheimhaltungsgründen gesondert gelagert werden, konnten bei diesen Bomben die roten Ringe während der Lagerung in der Munitionsanstalt nicht angebracht werden und das Anbringen der roten Ringe beim Beladen der Flugzeuge unterblieb aus Billigkeitsgründen. Da jedoch die Langzeitzünder Nr. 17 auch in die Auf-schlagzünderbomben mit dem Bodenzünder Nr. 21 passen und diese bei der Lagerung im Munitionshaus mit rotem Ring versehen sind, ist das Erkennen des roten Ringes beim Freilegen der Bombe noch kein Beweis für das Nichtvorhandensein eines Langzeitzünders.

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