Neudruck Belehrungsblatt 1 und 2 (Ziffern 39 bis 46)Belehrungsblatt 3 (Ziffern 58 bis 62)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition

Ausgabe B
mit den Ziffern Nr. 47 bis 105
(ungekürzte Ausgabe)

Nur für den Dienstgebrauch !

Belehrungsblatt über Beseitigung
feindlicher Abwurfmunition
Blatt 3

Herausgegeben vom R.d.L. und Ob.d.L., Inspektion des Luftschutzes,
am 15. November 1941

Personal-
verluste bei Blindgänger-
beseitigung

47.

Die Nachprüfung der Unfallberichte der Luftgaukommandos ergab, daß bei genauer Einhaltung der Bestimmungen der L.Dv. 764, Ziffern 50 und 52, etwa die Hälfte der durch Lang-zeitzünderbomben eingetretenen Men-schenverluste hätte vermieden werden können. Insbesondere sind folgende Grundsätze immer wieder herauszustellen: Gewissenhafte Fernhaltung aller nicht unbedingt an der Grube erforderlichen Personen von dieser. Aufstel-lung der für die Bewachung der zur Beseitigung eingesetzten Gefangenen erforderlichen Polizeikräfte in ausreichendem Abstand und in guter Dek-kung. Fernhalten von höheren Dienstgraden der Wehrmacht und der Polizei sowie von Hoheitsträgern der Partei, die auf Grund ihrer Ausweise die Ab-sperrkette passiert haben.

Die Luftgaukommandos haben dafür zu sorgen, daß die in Betracht kom-menden Dienststellen von Wehrmacht, Polizei und Partei immer wieder auf diesen Umstand hingewiesen werden. Die eingesetzten Feuerwerker sind verpflichtet, bei Beginn der Arbeiten die Absperrgrenzen und den beteilig-ten Personenkreis genau, wenn möglich schriftlich festzulegen. Die schrift-liche Übertragung der Verantwortung für die Einhaltung der Absperrgrenzen auf den aufsichthaben den Polizei- oder Wehrmachtsangehörigen durch den verantwortlichen Feuerwerker ist dabei von größter Wichtigkeit für spätere Beurteilung etwa auftretender Schuldfragen. Es steht dann ein-wandfrei fest, daß der Feuerwerker nur für den ordnungsgemäßen Verlauf der Arbeit in der Grube die Verantwortung trägt.

Vernichtung
von Leucht-
und Blitzlicht-
bomben

48.

Da die Engländer in letzter Zeit auch gewöhnliche Leuchtbombenhülsen zur Aufnahme von Blitzlichtsätzen verwenden, sind Blitzlicht- und Leuchtbom-benblindgänger nicht mehr ohne weiteres zu unterscheiden. Es sind daher in Zukunft abweichend von den Bestimmungen der L.Dv. 764 alle derartigen Blindgänger je nach Größe durch Auflegen von 1 bis 3 Sprengkörpern 28 in Höhe des Leuchtsatzes zu sprengen. Erdauflage und sonstige Sicherheits-maßnahmen wie bei entsprechend großen Sprengbomben. Da brennende Teile herumgeschleudert werden, ist die Sprengstelle so zu wählen, daß er-forderliche Brandbekämpfungsmaßnahmen leicht durchgeführt werden kön-nen. Entsprechende Löschmittel sind bereitzustellen.

Unterrichts-
material
über feind
liche Abwurf-
munition

49.

Die Lieferung von großen Lehrtafeln, Schnittmodellen usw. ist zur Zeit aus technischen Gründen nicht möglich. Für die Unterrichtung der Feuerwerker sind die "Belehrungsblätter", in denen alle wichtigen Munitionsarten und Munitionsteile beschrieben und abgebildet sind, zu verwenden. Es ist dafür zu sorgen, daß jedem für den Einsatz bei der Blindgängerbeseitigung vorge-sehenen Feuerwerker die L.Dv. 764, Beiheft 1 und die bisher erschienenen Belehrungsblätter (Ausgabe B) zur Einsichtnahme während der Arbeit an der Arbeitsstelle zur Verfügung stehen, damit etwa gefundene Teile sofort mit den Zeichnungen und Lichtbildern verglichen werden können. Auf diese Weise soll die schnelle Feststellung der Munitionsart ermöglicht werden, um entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.

Zusammen-
stellung der
wichtigsten
englischen
Bomben

50.

Die beiden Tafeln Abbildung 22 und Abbildung 23 zeigen die wichtigsten bisher zum Einsatz gekommenen englischen Bomben mit ungefähren Maß-, Gewichts- und Sprengstoffangaben. Die Bomben SAP 2000 LB und SAP 1000 LB wurden bisher noch nicht als Blindgänger geborgen. Es lagen ledig-lich Lichtbilder vor, aus denen keine genauen Maßangaben entnommen werden konnten. Außer den abgebildeten Bomben gibt es noch Mehrzweck-bomben GP 50 LB und GP 120 LB. Sie entsprechen in ihrem Aufbau der Langzeitzünderbombe GP 250 LB und wurden bisher nur zweimal von Ta-gesaufklärern abgeworfen. Die Zündergewinde erlauben den Einbau der Zünder Nr. 19 und 22 sowie des Langzeitzünders Nr. 17. Anstrich gelb mit grünem und rotem Ring.

Statistsiche
Zahlen über
nicht detonierte
feindliche
Bomben

51.

Unter den im Laufe eines Jahres im Bereiche eine Luftgaukommandos abge-worfenen 27 591 Sprengbomben befanden sich 3513 nicht sofort detonier-te. Das sind also etwa 13% der gesamten Abwurfmenge. Von diesen 3513 nicht sofort detonierten Bomben detonierten 436, also 12%, von selbst durch Langzeitzünder. Nach Einführung des innen eingebauten Langzeit-zünders 17 im zweiten Vierteljahr 1941 stieg die Zahl der selbstdetonieren-den Langzeitzünderbomben auf etwa 20% der nicht beim Aufschlag sofort detonierten Bomben an. Dies ist darauf zurückzuführen, daß der Langzeit-zünder durch die geschützte Einbauweise nicht mehr so häufig beim Auf-schlag beschädigt und betriebsunfähig gemacht wird. Die genaue Verhält-niszahl zwischen Langzeitzündern, die nicht von selbst detonierten, und blindgegangenen Aufschlagzünderbomben kann nicht ermittelt werden, da bei den Sprengungen die Bombe nur soweit freigelegt werden soll, daß ein Anbringen der Sprengladung möglich ist. Dabei kann nicht immer fest-gestellt werden, welche Zünderart sich in der Bombe befindet.

"Lufttorpe-
dos", ein
feindlicher
Propagan-
datrick

52.

Die Bezeichnungen "Lufttorpedo" und "Luftmine" werden vom feindlichen Rundfunknachrichtendienst in deutscher Sprache in propagandistischer Ab-sicht zur Einschüchterung der deutschen Zivilbevölkerung mißbraucht. Um die Einführung dieser irreführenden Bezeichnungen zu vermeiden, ist für die seit einiger Zeit von englischer Seite eingesetzten dünnwandigen zylindri-schen Sprengbomben mit hohem Sprengstoffanteil einheitlich die Bezeich-nung "Minenbombe" beizubehalten, gleichgültig, ob sie mit einem Steuer-schwanz oder einem Bremsfallschirm versehen sind.

"Luftminen" sind Sperrwaffen, die gegen Flugzeuge verwendet werden (s. Ziff. 57).

Magnetische Grundminen, Treibminen und Torpedos, die von Flugzeugen gegen Seeziele abgesetzt werden, haben die Musterbezeichnung "Flug-zeugmine" und "Flugzeugtorpedo".

Als "Lufttorpedo" wäre ein Sprengkörper zu bezeichnen, der sich durch ei-gene Kraft im Luftraum fortbewegt und mit eig- ner oder Fernsteuerung ein vorher bestimmtes Ziel anfliegt. Der Einsatz einer derartigen Waffe ist bis-her noch nicht erfolgt.

Englisches
Kurssignal
von 100
Minuten Bren-
dauer mit
Magnesium-
licht

53.

Bei einem Luftangriff an der Kanalküste wurde ein Kurssignal abgeworfen das etwa 100 Minuten Brenndauer hatte und mit heller Magnesiumflamme brannte. Nähere Unterlagen fehlen noch.

Entsprechende Feststellungen und Beobachtungen sind zu melden.

Englische
Panzerbombe
AP 450 LB
(siehe
Abb. 25
)

54.

Bei der Bombe AP 450 LB handelt es sich um ein älteres Baumuster, das vor den SAP-Bomben entwickelt wurde. Die Wandstärke in der Nähe des Bom-benkopfes ist wesentlich größer und die Sprengstoffmenge kleiner als bei den SAP-Bomben. Als Zünder wird Nr. 34 verwendet, wenn nicht mit Hilfe eines Zwischenringes der Zünder Nr. 28 und ein Detonator mit Verzugszün-dung Verwendung findet.

Gesamtgewicht der Bombe: 200 kg;

Sprengstoffgewicht: 21 kg;

Sprengstoffart: Trinitrotoluol mit Wachspuffer in der Spitze;

Anstrich: Gelb mit grünem Ring an der dicksten Stelle und weiß-rot-weißem Ring an der Spitze.

Es besteht die Möglichkeit, daß das abgebildete Leitwerk durch ein solches mit Schnappfederbefestigung und Kegelteil ersetzt worden ist.

Brandwirkung
beim Abwurf
von Panzer-
bomben
gegen Schiffe

55.

Beim Abwurf von Panzerbomben auf Schiffe wurde fast regelmäßig auch Brandwirkung beobachtet. In mehreren Fällen wurden Reste der Bombe INC 25 LB (12,5 kg Brandbombe mit 7 Brandsätzen) gefunden. Es konnte bisher nicht festgestellt werden, ob die Brandbomben gleichzeitig für sich abge-worfen wurden, oder ob sie irgendwie am Leitwerk der Panzerbomben be-festigt waren.

Entsprechende Beobachtungen und Feststellungen sind zu melden.

Neue englische
Brandbombe
INC 50 LB
(Phosphor-
kanister)
(s. Abb. 24)

56.

Die seit September 1941 abgeworfenen Blechkanister haben einen Quer-schnittfläche von 24 X 24 cm, 42 cm Höhe und sind aus 0,5 mm dickem Weißblech durch Lötung hergestellt (siehe Abb. 24). Die Ausmaße des Ka-nisters entsprechen etwa den Maßen eines englischen Brandbomben-Schüttkastens für 20 Stück 1,7 kg-Brandbomben. Wahrscheinlich werden daher je 3 Kanister aus einer englischen Brandbombenabwurfvorrichtung abgeworfen. An 2 Kanten des Kanisters sind Wellblechstreifen zum Einpas-sen angelötet. Am oberen Rande sind 2 Handgriffe für den Transport des Kanisters befestigt. Die Füllung mit Schraubdeckelverschluß (77 mm Ø, 39 mm Höhe) befindet sich auf der Oberseite des Kanisters. Daneben ist eine zylindrische Blechklappe von 125 mm Durchmesser und 45 mm Höhe aufgelötet. Sie dient wahrscheinlich zur Erreichung des Belademasses und zum Schutz der Einfüllöffnung beim Anbringen des Kanisters in der Abwurf-vorrichtung.

Der Kanister ist rot angestrichen und trägt auf den Wandungen und der Blechkappe auf dem Oberteil in schwarzer Farbe folgende Beschriftungen:

      Übersetzt:
    Important Wichtig.
   

if any fume issues from bomb remove to isolated place immerse bomb com-pletely in water and report immedia-tely

Wenn Rauch aus der Bombe austritt, bringe sie an einen freien Platz, tau-che sie vollständig in Wasser und er-statte sofort Meldung.

    Bomb
Inc. 50 LB
Handle with care
8/41
Brandbombe 50 LB (22,5 kg).
Mit Vorsicht behandeln.
8/41 (Herstellung Aug. 1941).
 
 

Nach den bisherigen Feststellungen besteht der Inhalt der Kanister aus einer Phosphormischung, in der Leichtbenzin oder andere leicht entzündli-che Substanzen enthalten sind, die sich bei Luftzutritt entzünden (also eine Art "Molotow-Cocktail"). Zur Erzielung einer länger anhaltenden Brand-wirkung ist Gummilatex (das Ausgangsprodukt für Rohgummi) beigefügt.

Wirkungsweise: Nach Aufschlag werden durch die Auftreffwucht die Löt-nähte des Kanisters aufgerissen und der Inhalt brennend verspritzt. An Schadenstellen wurde beobachtet, daß die Spritzspuren der brennenden Flüssigkeit nach Aufschlag des Kanisters auf der Straße in der Nähe von Gebäuden bis zur Höhe des ersten Stockwerkes reichen.

Die Phosphor-Kautschuk-Lösung brennt, wie beobachtet wurde, unmittel-bar nach dem Aufschlag, sobald sie mit der Luft in Berührung kommt.

Bekämpfung und Vernichtung des Brandmittels: Die Flammen sind mit Sand abzudecken. Der Sand ist darauf mit Wasser zu druchnässen. Spritzer an Wänden oder Gegenständen sind sorgfältig mit Messern o. ä. abzukratzen. Die abgelöschte Masse, die sich nach Entfernung des Sandes immer wieder entzünden kann, ist sodann mindestens 1 m tief zu vergraben; auch Reste des Blechkanisters sind derart zu vergraben.

Phosphor ist giftig und erzeugt Brandwunden auf der Haut, daher Hand-schuhe anziehen und Gasmaske aufsetzen. Hautbrandstellen mit Losantin-brei behandeln oder mit nassen Tüchern bedecken, ärztliche Behandlung veranlassen. Spritzer auf Uniformteilen mit viel Wasser ausbürsten.

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