Belehrungsblatt 9 (Ziffer 245)Belehrungsblatt 9 (Ziffern 247 und 248)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 9
Stand der bri-
tischen
Signal- und Zielmarkie-
rungsmittel
(Anfang No-
vember 1943)
246. Zielmarkierungsmittel für Tageseinsätze.
  a)

Auf See schwimmende Rauchsignale (Smoke Float).

Derzeitiger genauer technischer Aufbau nicht bekannt, vermutlich je-doch ähnlich dem schwimmenden Kurssignal (Belehrungsblatt 5, Ziffer 131, Abb. 62 und Abb. 15) oder ähnlich dem schwimmenden Leucht-signal neuerer Ausführung (siehe Abb. 262 und 263).

     

Schwimmende Rauchsignale als Zielmarkungsmittel haben teilweise stundenlange Rauchentwicklung und werden zum Markieren getauchter U-Boote oder in Seenotfällen abgeworfen.

  b)

Farbsignal "Sea-Marker"

(siehe Abb. 264) enthält stark phosphoreszierende Farbflüssigkeit. Ob es nur für Seenotfälle der eigenen Besatzung oder auch zum Abwurf aus fliegenden Flugzeugen verwendet wird, konnte noch nicht ermit-telt werden.

  c)

Zielmarkierungsmittel für Tageseinsätze (Land).

Soweit bisher festgestellt wurde, werden hierzu Nebelsätze für ver-schiedenfarbigen Nebel, die auf pyrotechnischer Grundlage arbeiten, verwendet. Sie haben etwa die Abmessungen der Phosphorbombe 14 kg und nebeln ungefähr 30 Minuten.

  d)

Signalmittel zum Verschießen aus Leuchtpistolen.

Die britischen wie auch die USA-Luftwaffe haben sehr großkalibrige Leuchtpatronen, deren Leuchtsätze zum Teil mit Fallschirmen verse-hen sind und in manchen Fällen für Nachteinsätze noch Verzögeruns-zündung enthalten, so daß die am Fallschirm schwebende Leuchtkugel erst aufleuchtet, wenn sich das Flugzeug weit genug entfernt hat (um zu verhindern, daß deutsche Abwehr den Standort des Flugzeuges aus dem Leuchtpatronenabschuß ermitteln kann). In vielen Fällen wurde bei abgeschossenen Flugzeugen ein Koffer mit Nachbildungen sämtli-cher deutschen Erkennungssignale zur Täuschung der Abwehr gefun-den.

 

Zielmarkierungsmittel für Nachteinsätze.

Seit Anfang 1943, als das Verfahren, vor jeder angreifenden Welle ein Pfadfinderflugzeug zum Aufsuchen und Markieren der Ziele vorauszuschik-ken, in verstärktem Maße Anwendung fand, wurden folgende leuchtenden Signalmittel verwendet:

Himmelsmarkierung "Sky-Markers"
  e)

Leuchtbomben in den Farben weiß, gelb, orange, grün und rot.

  f)

Reihenwürfe dieser Bomben mit gleicher Zündereinstellung, häufig rund um das Angriffsziel, so daß eine Reihe von Bomben in gleicher Höhe schwebt.

  g)

Gebündelter Abwurf dieser Leuchtbomben mit gleicher Zünderstellung, so daß sich infolge geringer Ungenauigkeit der Zünderlaufzeiten eine Art Traube oder Christbaum bildet (Abb. 265 und 266). Die Bomben wurden bisher nur zu 3 Stück gebündelt, aber häufig 6 bis 10 dieser Dreierbündel gleichzeitig abgeworfen.

  h)

Gebündelter Leuchtbombenabwurf mit verschiedenen Zünderstellun-gen, so daß die Bomben nahezu übereinander stehen.

  i)

Bunte schwebende Leuchtbomben mit 4 bis 10 Minuten Brenndauer, ausdenen einer oder mehrere gleichfarbige oder andersfarbige kurz-brennende, schnell zu Boden fallende Sterne herausfallen (Abb. 267). Dadurch sind Hunderte von Farbenzusammenstellungen, die an jedem Tag und bei jeder Angriffswelle wechseln können, möglich. Brenndauer der gewöhnlichen Leuchtbombe etwa 4 Minuten. Durch Zusatz von Phlegmatisierungsmitteln kann die Brenndauer auf Kosten der Leucht-stärke auf etwa 10 bis 12 Min. verlängert werden. Mit diesen an Fall-schirmen schwebenden Leuchtmitteln, die je Sekunde 2 m sinken, läßt sich keine genaue Zielmarkierung durchführen, weil während der 4 Mi-nuten das Signal bei Wind um mehrere hundert Meter versetzt wird. Es kann also damit nur ein Angriffssignal oder Zeichen zum Sammeln der getrennt anfliegenden Flugzeuge übermittelt werden, oder es wird durch kreisförmige Reihenwürfe mit Fallschirmleuchtbomben das Ziel grob eingekreist. Alle in der Luft abgeschossenen oder an Fallschirmen hängenden Markierungsmittel haben die Bezeichnung "Sky-Markers" (Himmelmarkierungsmittel). Häufig werden auch Wendepunkte auf der Anflugstrecke mit diesen Leuchtmitteln, die auf mehrere hundert Kilo-meter erkennbar sind, markiert.

  k)

Großleuchtbombe "TI-Flare 12" (Abb. 268)

ist, wie leergebrannte Hüllen erkennen lassen, in der Blechhülle der Zielmarkierungsbombe 250 LB untergebracht. Offenbar handelt es sich hier bei um stark phlegmatisierte Leuchtsätze mit geringerer Leucht-wirkung (da großkalibrige starkleuchtende Sätze zu Detonationen nei-gen), die nur zur Übermittlung langbrennender Leuchtsignale (grobe Zielmakierung oder Kursmarkierung) ohne Ausleuchtung des Zielgelän-des dienen. Vermutlich sind sie die aus häufigen Angriffsberichten ge-meldeten lang-brennenden vollmondartigen Leuchtsignale. Blindgänger sind zur Auswertung zu melden. Die Bezeichnung "TI" be-deutet ver-mutlich "Track-Indicator" = Kursweiser oder "Target-Indicator" = Ziel- weiser.

In letzter Zeit gingen auch Meldungen ein, nach denen aus langbren-nenden Leuchtbomben in gewissen Zeitabständen bunte Sternbündel herausfallen. Die Sternbündel haben zum Teil während ihres Fallens ihre Farbe gewechselt.

Bei großkalibrigen Leuchtbomben ist es leicht möglich, zusätzlich der artige Sternbündel einzupressen und in den Abbrandvorgang einzu-schalten. Es ist auch leicht möglich, die Grundfarbe der Leuchtbombe während ihrer Abbrandzeit zu ändern.

Auf diese Weise sind allein mit dieser Bombe schon hunderte von Farb-zusammenstellungen möglich und die einzelnen Farben können wäh-rend eines einzigen Angriffes unter Zuhilfenahme der Uhrzeit bei jeder angreifenden Welle eine andere Bedeutung haben, so daß die Nachbil-dung außerordentlich erschwert ist.

  l)

Britische kombinierte Blitzlicht-Zielmarkierungsbombe "TI-Flash 12" = 250 LB (Abb. 268).

Auch bei dieser Bombe handelt es sich um die Hülle der Zielmarkie-rungsbombe 250 LB, die zur Hälfte mit Blitzlichtpulver und zur Hälfte mit Zielmarkierungsleuchtstäben gefüllt ist. Zündung geschieht durch barometrische Zünder 860. Es ergibt sich eine blau-weiße Leuchter- scheinung mit heftiger Detonation, aus der dann als buntes Sternbün-del die brennenden Zielmarkierungsleuchtstäbe herunterfallen, die am Boden weiterbrennen. Blindgänger wurden noch nicht geborgen.

  m)

Bodenmarkierung ("Target-Markers" oder "Ground-Markers").

Zur Markierung eines bestimmten Bodenzieles, das durch Pfadfinder-flugzeuge mit Hilfe von genauen Navigationsverfahren oder elektri-schen Messungen aufgesucht wird, tauchten gegen Ende des Jahres 1942 folgende Bodenmarkierungsmittel, die als "Target-Markers" be-zeichnet werden, auf:

Es wurde zuerst versucht, mit sogenannten Brandstifterflugzeugen durch Brandbombenabwürfe einen bestimmten Punkt zu markieren. Das ist aber nur bei der ersten Angriffswelle möglich, denn später machen entstandene Brände und Scheinbrände das genaue Herausfinden die-ser Markierung unmöglich.

Es wurde daher im Oktober und November 1942 vereinzelt, offenbar versuchsweise, eine Großphosphorbombe 1200 kg = INC 4000 LB (oder TI-Bomb ?) mit 80 Litern Brandmasse abgeworfen (siehe Abb. 189). Mit dieser Bombe konnte schlagartig ein Brandfeld von 150 bis 300 Me-tern Durchmesser erzeugt werden. Die Bomben haben eine Brenndauer von mehreren Stunden. Sie wurden nur außerhalb von bewohnten Ort-schaften abgeworfen und sollten offenbar nur als vorher verabredete und in Zielkarten eingezeichnete Richtpunkte dienen. Nach diessen Richtpunkten sollten offentsichtlich die einzelnen Flugzeuge ihre Ziele durch Anmessen aufsuchen. Da sich aber die Benzolflamme der Flüs-sigkeitsbrandbombe nicht bunt färben läßt und der zusätzliche Einbau von pyrotechnischen Mitteln auch Schwierigkeiten bereitet, lassen sich die so entstandenen Brände ebenfalls nicht mehr von Erfolgs- und Scheinfeuern unterscheiden. Die Bombe wurde daher bereits seit Ende 1942 fast nicht mehr abgeworfen. Vereinzelte Abwürfe im deutschen Küstengebiet Anfang 1943 lassen vermuten, daß dort die Reste der Versuchsreihe aufgebraucht werden. Der Phosphorbombe 1200 kg kommt daher keine praktische Bedeutung mehr zu, denn inzwischen wurde die wesentlich wirksamere und deutlichere

  n)

Zielmarkierungsbombe 250 LB (Abb. 269, 270 und 271)

mit der englischen Bezeichnung "Target-Marker 250  LB" (bunte Kas-kade mit 60 Leuchtstäben) eingeführt. Diese Bombe ist im Belehrungs-blatt 8, Ziff. 234, beschrieben und in Abbildung 216a im Schnittbild dargestellt. Sie erlaubt einen gezielten Wurf aus größeren Höhen und wird durch einen Leuchtbombenzünder Nr. 848 (Belehrungsblatt 7, Abb. 175) oder durch barometrischen Zünder knapp über der Erde auf-geschossen, so daß eine Art bunter Sternenregen oder bunter Was-serfall entsteht, der schnell zu Boden fällt. Da die Stäbe gleichzeitig ausgestoßen werden, bilden sie eine schnell fallende, immer größer werdende leuchtende Traube. Die 60 Leuchtstäbe brennen auf dem Boden weiter und bilden für 3 Minuten einen bunten Leuchtfleck von etwa 100 m Durchmesser. Da jeder Stab eine Lichtstärke von etwa 25 000 bis 45 000 Hefnerkerzen hat, ist auch bei Abwürfen durch star-ke Wolkendecken hindurch oder in natürlichem oder künstlichem Bo-dennebel aus der Luft ein deutlicher heller bunter Fleck zu erkennen. Bei Wolkendecke wird der Zünder so eingestellt, daß die Stäbe etwa 200 m über den Wolken ausgestoßen werden. Der Detonationspunkt ist gut zu erkennen und erleichtert das Aufsuchen des hellen Fleckes am Boden. Die Brenndauer beträgt 3 Minuten. Es wurde beobachtet, daß jede Angriffswelle durch ein Pfadfinderflugzeug diese Bomben von neuem abwerfen läßt. Die Brenndauer von 3 Minuten genügt theore-tisch, um den Farbfleck als Richtpunkt zum Aufsuchen der befohlenen Ziele zu benutzen. Es werden die Farben weiß, rot, gelb und grün ver-wandt.

In einzelnen Fällen durchschlugen die herunterfallenden Stäbe Dächer von Gebäuden und verursachten Brände, die aber mit Wasser oder Sand leicht zu bekämpfen sind. Um die Zielmarkierung zu verhindern, ist es notwendig, die Flammen und die Lichterscheinungen der am Bo-den brennenden Leuchtstäbe schnellstens zu beseitigen. Da das Ablö-schen der der Leuchtstäbe mit Wasser nur bedingt möglich ist, sind sie sofort mit möglichst viel Erde oder Sand zu überdecken.

  o)

Zielmarkierungsstäbe mit Sprengsätzen (Abb. 271).

Um das Ablöschen der am Boden brennenden Leuchtstäbe zu verhin-dern, sind neuerdings in einzelne Leuchtstäbe Sprengsätze eingebaut. Der Sprengsatz besteht aus 30 g Schwarzpulver, das in einer Stahl-kapsel mit Schraubverschluß untergebracht ist. Die Stahlkapsel sitzt entweder am unteren Ende des Leuchtsatzes oder unter Verwendung von leeren Pappröhren als Abstandsstücke mehr in der Mitte des Sta-bes. Durch die Sprengsätze muß auf einen Teil des Leuchtsatzes ver-zichtet werden. Da der ganze Leuchtsatz 180 oder 200 Sekunden brennt, kommen die Sprengsätze je nach der Länge des darüberliegen-den Leuchtsatzes zu verschiedenen Zeiten zur Detonation.

  p)

Leuchtstäbe mit Verzögerungszündung (Abb. 272).

In einzelne Leuchtstäbe waren im Oberteil Verzögerungssätze aus Zeitzündschnur eingebaut. Die Verzögerungssätze haben verschiedene Brenndauer und dienen offenbar dazu, einen Teil der Leuchtstäbe erst nach Abbrand der sofort gezündeten Stäbe zum Aufleuchten zu brin-gen und so die Gesamtbrenndauer des Leuchtfleckes im Zielgebiet zu verlängern. Bomben, in denen mehrere Farben gleichzeitig unterge-bracht sind, wurden bisher noch nicht gefunden, wohl aber wurden mehrere Bomben mit verschiedenen Farben gleichzeitig an der gleichen Stelle abgeworfen.

Vereinzelt werden auch Stäbe gefunden, die erst etwa 2 bis 4 Minuten nach dem Ausstoß, also auf der Erde liegend, zu brennen beginnen.

  q)

Neuerdings sind die Zielmarkierungsbomben 250 LB mit barometrischen Zündern versehen, die den Ausstoßvorgang unabhängig von der Ab-wurfhöhe in einem bestimmten Abstande vom Boden bewirken (Zünder siehe Ziffer 278).

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der gemeinsame Einsatz von buntfarbigen Leuchtbomben mit dem Zielmarkierungsmittel "Tar-get-Marker 250 LB" bei Benutzung elektrischer Meßverfahren dem Pfadfinderflugzeug theoretisch eine einwandfreie Zielmarkierung auch bei Regen oder Nebel ermöglicht.

Die Brenndauer von 3 bis 4 Minuten als am Boden leuchtender bunter Fleck von 100 m Durchmesser genügt für die jüngeren unerfahrenen Besatzungen, den vorher verabredeten und nun bunt markierten Punkt zu finden und mit der Zielkarte zu vergleichen. So soll sich jede Flug-zeugbesatzung ihr jeweils befohlenes Ziel von diesen Punkten ausge-hend entfernungsmäßig und richtungsmässig nach der Zielkarte su-chen.

  r)

Leuchtbombenbündel (schwebende leuchtende Trauben oder Christ-bäume) (Abb. 266 u. 266a).

Der gebündelte Abwurf von Leuchtbomben zu Beleuchtungszwecken ist notwendig, weil eine Vergrößerung der Leuchtsätze zwecks Erhö-hung der Lichtstärke zu explosionsartige Verbrennung des Leuchtsat-zes führt und daher eine Vergrößerung der Lichtstärke nur durch ge-bündelten Abwurf möglich ist. Die einzelnen Leuchtsätze des gebün-delten Abwurfes sind untereinander nicht verbunden, sondern schwe-ben unabhängig von einander. An jedem Leuchtsatz befindet sich ein Stück Drahtseil von etwas mehr als 1 m Länge, das die Fallschirmlei-nen vor der Hitzeeinwirkung des brennenden Leuchtsatzes schützt. Dieses Stück Drahtseil bringt elektrische Meßinstrumente zum Anspre-chen und hat dadurch zu der irrtümlichen Annahme geführt, die Leuchtsätze seien durch Drähte miteinander verbunden.

Häufig wird außerdem das Ziel durch "Sky-markers", d.h. bunte Fall-schirmleuchtbomben, eingekreist.

 

s)

Das ganze System der optischen Zielmarkierungsmittel und der Nach-richtenübermittlung durch Leuchtsignale ist nicht starr, sondern wech-selt täglich und häufig auch bei den einzelnen Angriffswellen, abhängig von der Uhrzeit. Es kommt dem Gegner darauf an, deutsche Gegen-maßnahmen zu verhindern und die Abwehr (Nachtjäger und Flak) im Unklaren zu lassen, damit sie sich nicht auf den zu erwartenden Ab-griff einstellen kann. Mit den Farben rot, weiß, gelb und grün sind bei Verwendung von Einzelsternen und Sternbündeln Hunderte von Farb-signalen möglich.

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