Belehrungsblatt 5 (Ziffern 128 bis 133)Belehrungsblatt 6 (Ziffern 137 bis 142)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition

Ausgabe B
mit den Ziffern Nr. 134 bis 157
(ungekürzte Ausgabe)

Nur für den Dienstgebrauch !

Belehrungsblatt über Beseitigung
feindlicher Abwurfmunition
Blatt 6

Herausgegeben vom R.d.L. und Ob.d.L., Inspektion des Luftschutzes,
am 3. Juni 1942

Behandlung feindlicher Flugzeug-
minen
134.

Die Bestimmungen zur Behandlung und Entschärfung feindlicher Flugzeug-minen befinden sich in der Vorschrift D (Luft) g 4921 "Fremde Flugzeugmi-nen".

Gemäß Ziffer 108 der "Belehrungsblätter" obliegt die Beseitigung nicht de-tonierter Abwurfmunition in oder an Wasserstraßen den Stromsicherungs-einheiten des Heeres oder den Sperrwaffendienststellen (Sperrwaffenkdos. und Sperrzeugämter) der Kriegsmarine.

Finden Sprengkommandos der Luftwaffe Treib- oder Grundminen außerhalb der Wasserstraßen (z.B. Notabwürfe oder bei abgeschossenen Feindflug-zeugen), so sind folgende Minen zwecks Bergung und Untersuchung an die Kriegsmarine zu melden:

 
  a)

alle Grundminen mit magnetischer Zündung,

b)

Minen, die noch nicht in der vorgenannten Vorschrift aufgeführt und beschrieben sind oder bei denen Zweifel über die Zündungsart beste-hen.

 
 

Die in der Vorschrift beschriebenen Fluß- und Treibminen können vernichtet werden.

Die unter a) und b) aufgeführten Minen sind zwecks Bergung der nächsten Sperrwaffendienststelle der Kriegsmarine oder dem nächsten LM-Zug bzw. der nächsten Minenausgabestelle der Luftwaffe zu melden. Befindet sich keine Sperrwaffendienststelle in der Nähe, so ist die Mine fernmündlich oder fernschriftlich unmittelbar an die Sperrwaffeninspektion der Kriegsma-rine Kiel zu melden. Fernsprecher: Post Kiel 106 00.

In allen Fällen ist aber außerdem der Luftmineninspzient des RLM. fern-schriftlich oder fernmündlich hiervon zu unterrichten.

Unter den Ziffern 16, 17 und 108 der "Belehrungsblätter" ist handschriftlich zu vermerken "Nähere Angaben in Ziffer 134 des Belehrungsblattes Nr. 6".

Reihenwurf
engl. Minen- bomben
835 kg
135.

An einigen Schadenstellen wurde festgestellt, daß die englische Fallschirm-Minenbombe 835 kg (s. Abb. 19) im Reihenwurf zu 9 Stück aus einem Flug-zeug abgeworfen wurde. Über entsprechende Beobachtungen – falls 3 und mehr Stück in Reihe geworfen werden – besonders bei Bomben noch grös-seren Kalibers ist zu berichten.

Neue feindl. Freiballone
mit Stördrähten
136.

Der Feind läßt in der letzten Zeit Gummiballone, an denen lange Drähte hängen, in das Reichsgebiet einfliegen. Es handelt sich hierbei um die be-reits im Belehrungsblatt 1 Ziffer 21 gemeldeten Störballone.

Der Text zu den Ziffern 21 und 42 einschl. Abbildungen ist zu streichen. Dafür ist handschriftlich einzusetzen: "Siehe Ziffer 136". Die gleichen Gum-miballone kamen bisher mit vier verschiedenen Aufgaben gegen Deut-schland zum Einsatz:

a)

Als Flugblattballon zum Abwerfen von Flugblättern usw. Die abzuwer-fenden Gegenstände hingen dabei unter einem runden Sperrholzbrett von 30 cm Ø oder einer viereckigen Tafel aus Wellpappe, wo sie mit dünnen Bindfäden befestigt waren. Auf dem Brett war spiralförmige eine Glimmlunte befestigt, durch die die dünnen Aufhängebindfäden hin-durchgezogen waren. Die Glimmlunte brannte in bestimmten Zeitabstän-den die Haltebindfäden ab und bewirkt so den Abwurf des Propaganda-materials. Vom Ende der Glimmlunte führte eine schnellbrennende Pul-verzündschnur mit Gummihülle zum Ballon und setzte diesen in Brand, sobald sämtliches Propagandamaterial abgeworfen war. Das Brett war durch einen trichterförmigen Regenschutz aus gummiertem Seidentuch geschützt. Farbe der Ballone und des Regenschutzes hell-gelb bis weiß. Der Ballon wird auch zum Abwurf von Brandplättchen benutzt. Die Flug-blattballone sind häufig aus gummiertem Seidenstoff gefertigt.

b)

Als freifliegende kleine Sperrballone von 1 bis 3 m Ø mit Sprengkörpern von der Größe einer Handgranate (engl. Bezeichung AAD-Bomb), die in Abb. 84, 85, 86 u. 90 dargestellt sind. Das Gerät dient als Kurzzeitsper-re gegen deutsche Flugzeuge in England und wird bei Einflug deutscher Flugzeuge hochgelassen. Auch diese Ballone treiben teilweise bis nach Deutschland und verursachen Störungen an den Hochspannungsleitun-gen. Außerdem bildet der an dem Sperrballon hängende Sprengkörper bei unsachgemäßer Handhabung noch eine zusätzliche Gefahr für dieje-nigen Personen, die den Ballon einfangen oder auffinden. Es handelt sich hierbei meist um einen Ballon aus dehnbarem Gummi. Das Holzbrett mit der Glimmlunte trägt eine Anzahl von Sandsäcken, die in gewissen Zeitabständen abgeworfen werden und den Gasverlust des Ballons aus-gleichen, damit er in der gewünschten Höhe bleibt. Die Flughöhe des Ballons läßt sich mit Hilfe eines Prallventils durch die Länge eines quer durch den Ballon gespannten Bindfaden einstellen. Steigt der Ballon zu hoch, so vergrößert er infolge des geringen Luftdruckes seinen Durch-messer und öffnet durch den gespannten Bindfaden ein Ventil zum Ab-lassen des Gases. Die Flughöhe läßt sich bei Start des Ballons durch die Länge des herausragenden Bindfadenendes einstellen. Zu diesem Zweck ist ein Papierbandmaß an der Klemmöffnung zum Durchführen des Bind-fadens vorhanden. Es ist jedoch meist abgerissen.

In der Mitte des runden Holzbrettchens, das die Lunte mit den Sand-säckchen trägt, ist der Sprengkörper durch Schnappfederhebel befes-tigt.

Grundsätzliche Wirkungsweise des Gerätes.

Wie aus den Abb. 82, 87, 88, 89 zu ersehen ist, trägt der freiliegende Ballon ein Holzbrettchen und an diesem, durch Schnappfeder gehalten, den Sprengkörper ("AAD-Bomb") mit der Krone nach unten. An der Kro-ne ist der senkrecht herunterhängende Sperrdraht befestigt. Er ist 1 mm stark und blank (Klaviersaitendraht). Er hängt 100 bis 300 m lang herunter. Am unteren Drahtende befindet sich der sogenannte Anker-fallschirm von etwa 1,2 m Durchmesser. Am Boden des Sprengkörpers ist eine etwa 3 m lange geflochtene Schnur mit einem kleinen, durch Federn regenschirmartig geöffneten Fallschirm von 20 cm Durchmesser befestigt. Der kleine Fallschirm steckt zusammengefaltet mit seiner Schnur in einer Pappröhre. Fliegt ein Flugzeug gegen den herunterhän-genden Draht (Abb. 82 Ziffer 2), so verankert die Bremswirkung des un-tenhängenden 1,20 m großen Fallschirm den Draht in der Luft, während oben der Sprengkörper aus seiner Halterung herausgerissen wird. Der glatte Draht läuft über die Tragfläche des Flugzeuges ab und das Flug-zeug zieht so den Sprengkörper zu sich heran. Der kronenförmig ausge-bildete Kippzünder (siehe Abb. 90) soll bei Berührung des Flugzeuges eine Detonation des Sprengkörpers bewirken. Der kleine Bremsfallschirm von 20 cm Durchmesser soll verhindern, daß der Sprengkörper hinter der Tragfläche des Flugzeuges herunterfällt. Berührt nach einer be-stimmten Flugzeit kein Flugzeug den Sperrdraht, so wird der Sprengkör-per mit Hilfe der Glimmlunte aus seiner Halterung gelöst und abgewor-fen. Wahrscheinlich wird der Ballon danach durch ein abfallendes Sand-säckchen, das an dem seitlich heraushängenden Faden zum Prallventil zieht, entleert und gelandet, so daß seine Wiederverwendung möglich ist. Der abgeworfene Sprengkörper fällt nach unten (siehe Abb. 82 Zif-fer 136 b). Dabei vermindert der 1,20 m große Fallschirm den Aufprall am Boden und verhindert hiermit ein Ansprechen des Zünders. Dieser spricht nur durch einen Schlag auf die Krone oder seitliches Abkippen an, während der Sprengkörper durch den Fallschirm mit seinem Boden zuerst auf der Erde ankommt. Dadurch ist die Wiederverwendung des Sprengkörpers möglich. An die Sprengkörper, die im Sommer 1941 ge-funden wurden, waren englische Warnzettel mit dem Hinweis, daß es sich um gefährliche Sprengkörper handelt, und eine Postkarte mit einer Benachrichtigung für einen bestimmten englischen Fliegerhorst ange-bunden, von dem aus die Bergung der Geräte durchgeführt wird.

Entschärfung des Sprengkörpers "AAD-Bomb".

Der in den Abbildungen 84, 85, 86 dargestellte Sprengkörper ist wie folgt zu entschärfen:

Die linke Hand umfaßt den Kopfteil des Körpers unterhalb der Anschlag-krone. Die rechte Hand löst die gekordelte Überwurfmutter. Hierbei darf die Anschlagkrone nicht gekippt werden. In dem unteren Teil befindet sich der Sprengkörper von 230 g Gewicht mit der eingesetzten Spreng-kapsel. Diese muß von Hand herausgezogen werden. Der Zünder kann nach Lösen der beiden Zylinderkopfschrauben unterhalb der Aufschlag-krone herausgedrückt und zerlegt werden.

An einigen Ballonen wurde der Draht in aufgerolltem Zustand auf einer Sperrholzrolle mit Bremsstreifen aus Gummi und turbinenartig angeord-neten Bremsflächen gefunden (siehe Abb. 8889). Es muß daher ange-nommen werden, daß der Ballon mit aufgerolltem Draht gestartet wird und daß in einer bestimmten Höhe die Drahtrolle sich von allein ablöst. Dadurch rollt auch der Draht nach unten ab. Der Ankerfallschirm ist ebenfalls mit einer Gleitvorrichtung versehen, die ihn am Draht hinunter-gleiten läßt.

Technische Einzelheiten und Hilfsgeräte am Holzbrett.

Wie Abb. 8889 zeigen, befindet sich am Holzbrett eine Druckdose, die bei geringerem Luftdruck einen Haltestift nach unten durch ein aufge-klebtes Papierblättchen stößt. Dadurch wird in einer bestimmten Flug-höhe eine unter Spannung stehende Drahtöse unterhalb der Druckdose freigegeben. Durch Herausfallen der Drahtöse wird ein Haltebindfaden gelöst. Wahrscheinlich wird hierdurch die Drahtrolle abgeworfen, damit der Draht nicht kurz nach dem Start bei zu niedriger Flughöhe Störun-gen an eigenen Hochspannungsleitungen verursacht. Beim Start wird außerdem die Glimmlunte zum Abwurf der Sandsäckchen in Brand ge-setzt. Sind alle Säckchen abgeworfen und ist das Ende der Glimmlunte erreicht, so wird ein Haltebindfaden, der mit Hilfe eines daranhängenden Sandsäckchen den Haltebügel neben der Druckdose gespannt hält, durchgebrannt. Der Haltehebel kippt unter Wirkung der Zugfeder um und löst dadurch den Sprengkörper aus seiner Halterung. Der Sprengkörper wird mit dem Draht abgeworfen und fällt, nur durch den Ankerfallschirm gebremst, ziemlich schnell zu Boden. Dadurch richtet der Draht keinen Schaden an Hochspannungsleitungen an, während der langsam absin-kende Ballon mit daran befestigtem Draht Störungen verursacht würde. Diese Einrichtung ermöglicht eine Verwendung des Gerätes im eigenen Land auch dann, wenn sich der Wind während der Sperrzeit drehen sollte. Es muß angenommen werden, daß nach dem Abwurf des Drahtes mit Sprengkörper ein weiterer Sandsack durch Ziehen am Faden zum Prallventil den Ballon entleert und seine Wiederverwendung ermöglicht. Durch den Abwurf des Sperrdrahtes mit dem Sprengkörper am Ende der Sperrzeit erklären sich die Sperrdrahtfunde mit daran befestigtem Sprengkörper und Fallschirm in den westlichen Gebieten. Wie aus den aufgedruckten Ziffern zu ersehen ist, sind die Geräte für 5 bis 6 Stun-den Brenndauer der Lunte eingerichtet. Erlischt die Lunte vorzeitig, so treibt der Ballon mit Sperrdraht und Sprengkörper auf große Entfernung ab und sinkt langsam zu Boden, wobei er häufig Störungen an Hoch-spannungsleitungen verursacht. Die Schäden sind jedoch infolge der ungünstigen Dimensionierung des Drahtes nur unbedeutend und stehen in keinem Verhältnis zu den Schäden, die der unter c) beschriebe Sperr-drahtballon verursachen kann. Ballone, bei denen die Entleerungsein-richtungen nach Abwurf des Sprengkörpers versagt haben, sind von England bis nach Rumänien getrieben.

 

Raketen-Kurzzeitsperre (Abb. 83).

Die gleichen Sprengkörper mit den gleichen Stahldrähten und Bremsfall-schirmen werden auch von englischen Schiffen durch Raketen gegen deutsche Flugzeuge in die Luft geschossen. In etwa 800 m Höhe öffnet sich der untere Fallschirm von 1,20 m Ø und rollt den im Innern der Ra-kete aufgewickelten Draht ab. Nach Ablauf des Drahtes öffnet sich ein großer Fallschirm von mehreren Metern Durchmesser, an dem der Sprengkörper mit seiner geflochtenen Schnur und dem 20-cm-Fallschirm mit einer gleichen Schnappfederhalterung wie bei dem Ballon befestigt ist. Die Raketenhülse fliegt noch etwas weiter und fällt dann herab. Der große Fallschirm ersetzt dann in diesem Falle den oben beschriebenen Ballon. Das ganze Gerät sinkt langsam herab. Es stellt also nur eine Kurzzeitsperre gegen einen augenblicklichen Flugzeug-, insbesondere Stuka-Angriff dar. Damit das Gerät beim Herunterfallen keinen Schaden anrichtet, kommt es nach etwa 110 bis 120 Sekunden noch in der Luft zur Detonation. Der Zünder ist deshalb bei dem Raketengerät etwas ge-ändert. Die in Abb. 90 dargestellten Einzelheiten haben folgende Wir-kungsweise: Beim Abschuß des Gerätes wird der Vorstecker (23) mit dem Sicherungsstück (13) herausgerissen. Der Zündhütchenträger (12) wird durch die Feder (14) zur Mitte gedrückt. Dadurch kommt sein Zündhütchen in die Scharf-Stellung unter dem Schlagbolzen (18). Bis zu diesem Punkt hat der Zünder bei Ballonsperre und Raketensperre die gleiche Wirkungsweise. Das Anschlagstück (10), gegen das sich der Zündhütchenträger in seiner Scharf-Stellung legt. trägt beim Ballonge-rät kein Zündhütchen. Beim Raketengerät ist jedoch in der Mitte des Anschlagstückes (10) ein Zündhütchen angebracht und die drei Papp-scheiben (8) sind durch eine Pulverbrennzündschnur ersetzt. Bei Schär-fung des Zünders wird das Zündhütchen im Anschlagstück (10) ange-schlagen und setzt die Zündschnur in Brand. Berührt der Kippzünder ein Flugzeug, so wird durch den Schlagbolzen (18) das Zündhütchen des Zündhütchenträgers (12) gezündet. Es setzt den Anfeuerungssatz (9) in Brand, und über die Sprengkapsel (6) kommt der Sprengstoff (4) zur Detonation.

Berührt kein Flugzeug den Sperrdraht, so brennt die Zündschnur weiter und setzt, da sie durch den seitlich herausragenden Arm des Gleitstük-kes 11 zum Anfeuerungssatz 9 geführt ist, dessen nach 100 bis 120 Sekunden in Brand, so daß der Körper in der Luft detoniert.

Bei aufgefundenen Sprengkörpern, die von Raketengeräten stammen (erkennbar an dem großen Fallschirm), darf also der Vorstecker 23 mit dem Sicherungsstück 13 nicht herausgezogen werden, weil sonst die Zündschnur in Brand setzt. Wird ein solcher Stecker versehentlich he-rausgezogen, so hört man am Knall des Zündhütchens (10) und sieht an der Rauchentwicklung, daß die Zündschnur in Brand gesetzt ist. Das Gerät muß dann sofort vorsichtig auf den Boden gelegt werden (nicht werfen, weil sonst der Kippzünder anspricht).  Man hat dann noch über 1 Minute Zeit, sich in Deckung zu bringen.

c)

Schleppdraht-Störballone (siehe Abb. 9192).

Dieses Gerät soll Kurzschlüsse an Hochspannungsleitungen hervorrufen. Es wird der gleiche gelbe Gummiballon, einstellbar mit Prallventil von 1,5 bis 3 m Ø, verwendet. Er trägt einen runden Weißblechbehälter, der in Abb. 92 dargestellt ist. Der Behälter ist mit einer frostsicheren Flüssig-keit, meist eine Art Rohpetroleum, mit Benzin gemischt, gefüllt. Die Mi-schung stellt kein Brandstiftungsmittel dar, sondern dient als Flüssig-keitsballast zur Einstellung der Flughöhe und zu ihrer Beibehaltung infol-ge des Gasverlustes. Der Flüssigkeitsbehälter enthält innen noch einen Ausgleichsbehälter. Während des Anmarschweges, den der Ballon in größeren Höhen zurücklegt, dehnt sich die Luft im Ausgleichsbehälter aus und der Flüssigkeitsspiegel wird durch die Durchtrittsöffnung im Steigrohr ausgeglichen. Verliert der Ballon während des Anmarschweges Gas und kommt in tiefere Luftschichten mit höherem Luftdruck, so saugt der Ausgleichsbehälter Flüssigkeit an und der Flüssigkeitsspiegel im Ausgleichsbehälter ist höher. Dadurch tritt eine Heberwirkung ein, die den Behälter langsam entleert. Der Ballon verliert also durch den Ver-schlußtopf, der während des Anmarschweges hochgeklappt ist, hin-durch fortlaufend Flüssigkeitsballast. Dadurch steigt der Ballon wieder in die Höhe. Grundsätzlich kann also gesagt werden, daß der Behälter Flüssigkeit auslaufen läßt, sobald der Ballon sinkt.

Hat er seinen beabsichtigten Anmarschweg beendet, so brennt die Lun-te nach Ablauf der vorher errechneten Zeit den Haltebindfaden zwi-schen Verschlußkappe und Aufhängehaken durch. Die Verschlußkappe fällt herunter und öffnet das Fallrohr. Es tritt Luft in den Ausgleichsbe-hälter ein und die Heberwirkung hört auf. Von diesem Zeitpunkt an kann keine Flüssigkeit mehr auslaufen. Der Ballon wird also nicht mehr entlas-tet und kommt infolge seines Gasverlustes nach und nach herunter. Nun beginnt seine eigentliche Störtätigkeit durch den auf dem Boden entlangschleifenden Draht. Um den Ballon aber wegen günstigerer Windverhältnisse in etwa 300 m Höhe zu halten und ihn andererseits nicht durch einen 300 m langen Draht belasten zu müssen, ist der nur 100 m lange Stördraht mit Hilfe eines 200 m langen Hanfbindfadens am Ballon angehängt. Der Bindfaden ist 3 mm dick, der Stahldraht hat 1,8 mm Ø. Er hat etwa die Stärke und die Biegsamkeit einer Fahrrad-speiche. Bei einigen Ballonen fehlte der Bindfaden und der Draht hing unmittelbar am Blechbehälter. Bei einigen Ballonen war der Bindfaden zu einem Knäul zusammengerollt und in einer Art Korb aus Wellpappe un-tergebracht. Es besteht somit die Möglichkeit, daß sich der Bindfaden erst bei Beendigung des Anmarschweges, also nach Abbrennen der Glimmlunte, ausrollt (Schutz gegen Leitungsstörungen im eigenen Lande beim Start des Ballons).

Vor dem Start wird durch das Luftloch im Deckel des Behälters, der die Durchtrittsöffnung im Steigrohr verschließt und ein Auslaufen der Flüs-sigkeit verhindert. Beim Start wird dieser Draht herausgenommen.

d)

Freiballone mit selbsttätigem Funkgerät.

In einigen Fällen wurde der unter b) beschrieben Ballon mit einem Funk-gerät versehen. Die Funkgeräte hingen unter einer Regenschutzkappe. Unterhalb des Funkgerätes war ein Blechkanister mit auslaufender Flüs-sigkeit für Höhenregulierung eingehängt. In einem Fall war dieses Funk-gerät ebenfalls in ein rundes Blechgefäß ähnlich dem vorgenannten Ka-nister eingebaut. In anderen Fällen wieder bestand das Gehäuse des Funkgerätes aus Cellon oder Plexiglas, ähnlich den sogenannten Radio-sonden der deutschen Wettermeßballone. Wird ein derartiger Ballon ge-borgen, so darf das Funkgerät nicht geöffnet werden. Die Geräte sind so eingerichtet, daß die Frequenz (Wellenlänge) durch eine von außen zugängliche Schlitzschraube eingestellt wird, durch die der Eisenkern eines Spulensystems verschoben wird. Da die Ermittlung der Betriebs-frequenzen des Senders von Wichtigkeit ist, dürfen die Schrauben nicht verstellt werden. Andererseits sind die Schrauben, mit denen das Ge-häuse verschlossen ist, nicht ohne weiteres von den Einstellschrauben zu unterscheiden. Es besteht auch die Möglichkeit, daß nach Beendi-gung der Flugzeit durch die Glimmlunte ein Sprengsatz im Innern des Funkgerätes ausgelöst wird, der diese so nachhaltig zerstört, daß die Reste für den Gegner wertlos sind. Anscheinend wurden die Ballone mit den Funkgeräten mit den Stördrahtballonen zusammen nach Deutsch-land in Marsch gesetzt und der Weg der Ballone mit Peilgeräten mit Hilfe der ausgestrahlten Zeichen von England aus verfolgt.

e)

Sicherheitsmaßnahmen bei der Bergung abgeschossener oder eingefan-gener Feindballone.

Die Zivilbevölkerung hat durch die Presse Anweisung erhalten, derartige freifliegende Ballone einzufangen und der Polizei zu melden. Die Bergung soll aus Sicherheitsgründen, da jederzeit mit dem Vorhandensein von Sprengkörpern gerechnet werden muß, durch Angehörige des zuständi-gen Sprengkommandos vorgenommen werden. Geborgene Ballone sind zwecks Wiederverwertung in möglichst unbeschädigtem Zustand an die Bauaufsichten der Luftwaffe bei der Auergesellschaft, Oranienburg bei Berlin, zu senden. Von den vorstehenden Beschreibungen stark abwei-chende Geräte sind zu melden.

Ballone mit mehr als 5 m Ø müssen als losgerissene Sperrballone ange-sehen werden. Sie sind an

Versuchskdo. L Flak, Bad Saarow bei Fürstenwalde/ Spree, zum Ver-sand zu bringen.

f)

Anweisung zum Bergen eingefangener Ballone.

Ballone festhalten, durch Abschneiden von ihrer Last trennen und in etwa 50 m Entfernung durch Öffnen der Ventile entleeren, da sonst Ge-fahr besteht, daß sich das ausströmende Gas an der noch brennenden Lunte entzündet. Beim Zerreißen der Ballonhülle können elektrische Funken auftreten (wie sie ähnlich beim Zerreißen von Papier im Dunkeln zu beobachten sind), die das Gasluftgemisch mit starker Stichflammen-bildung zur Entzündung bringen (Knallgasexplosion). Das tritt z.B. ein, wenn ein Ballon beim Niederholen aus Baumkronen durch Äste zerrissen wird und dabei in Brand gerät. Die Lasten der Ballone sind sofort auf etwa noch brennende Glimmlunten oder Zerstörungszündschnüre zu un-tersuchen.

Belehrungsblatt 5 (Ziffern 128 bis 133)Belehrungsblatt 6 (Ziffern 137 bis 142)Inhaltsverzeichnis