Belehrungsblatt 9 (Ziffern 253 bis 255)Belehrungsblatt 9 (Ziffern 261 bis 266)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 9
Besondere
Gefahren
bei Blind-
gängerbe-
seitigungs-
arbeiten
256.

Durch Vergrößerung des Bombenkalibers bei Langzeitzünderbomben auf 1000 LB = 420 kg ist die Eindrigtiefe der Bomben wesentlich vergrößert worden. Die Bomben befinden sich in vielen Fällen in 6 bis 12 m Tiefe, oft viele Meter unterhalb des Grundwasserspiegels. Infolge Einführung des ver-lagerungsempfindlichen Kippzünders Nr. 845 besteht bei den Bergungsar-beiten, falls aus Versehen seitlich an der Bombe vorbeigearbeitet wird, die Gefahr des Nachrutschens der Bombe und damit einer Lageänderung mit Detonation durch den Kippzünder. Es muß daher künftig bei Freilegungsar-beiten in erhöhtem Maße Gebrauch von der Sondierstange gemacht wer-den, um Lageänderungen der Bombe zu vermeiden. Bei der Sondierung ist darauf zu achten, daß die Bombe nicht stark erschüttert wird. In der Abb. 293 ist eine dreiteilige Sondierstange dargestellt, die 3,5 m lang ist und in zerlegtem Zustande bequem im Pkw. mitgeführt werden kann. Die Stange kann entweder aus vollem Rundeisen oder Stahlrohr hergestellt werden. Herstellung ist in truppeneigenen Werkstätten vorzunehmen, da zentrale Beschaffung nicht möglich ist. Wird beim Sondieren ein Widerstand ver-spürt und ist es in steinigem Gelände fraglich, ob es sich um einen Stein oder um eine Bombe handelt, so ist durch Abtasten mit der Sonde die Form des Gegenstandes zu ermitteln.

Sicherheits-
abstände bei
nicht deto- nierten Bom-
ben und Frei-
legungs-
arbeiten
257.

Der Masseneinsatz von Langzeitzündernbomben bei den letzten britischen Luftangriffen seit März 1943 hat gezeigt, daß bei zu groß gewählten Si-cherheitsabständen häufig unerträgliche Ausfälle an Wohnraum, Industrie- und Verkehrsanlagen usw. auftraten. Es wird deshalb erneut auf folgendes hingewiesen:

Bei Erkundung der Einschlagstelle und Festlegung der Ab sperrgrenzen ist von der Möglichkeit, die Sicherheitsabstände hinter, natürlichem Splitter-schutz (L.Dv. 764, Ziffer 27), wie Gebäuden, Bahndämmen usw. zu verklei-nern, ausgiebigst Gebrauch zu machen. Bei Eisenbahnanlagen kann z.B. durch abgestellte Wagen mit Kohle, Stroh usw. ein behelfsmäßiger Splitter-schutz geschaffen und der Abstand dahinter verkleinert werden. Bei mehr-gleisigen Strecken können häufig dahinterliegende Gleise für langsame Fahrt (10 km/Std.) freigegeben werden.

Bomben, die in Gebäuden oberhalb der Erdgleiche liegen, können je nach Art der Gebäude und den örtlichen Verhältnissen als "im Boden steckend" betrachtet werden. Nach Anbringen eines guten Splitterschutzes können die Abstände soweit verkleinert werden, daß die durch Räumung verur-sachten Ausfälle erträglich sind.

In einem Teile des Sicherheitsbereiches besteht nur Gefahr durch etwaige bei einer Detonation aus der Luft herunterfallende Sprengstücke. Die Sprengkommandos werden daher ermächtigt, in besonderen Fällen – insbe-sondere in Industrieanlagen bei Vergrößerung der Absperrgrenzen auf 250 m während der Freilegungsarbeiten – zwischen den außerhalb der Ab-sperrgrenze liegenden Bereich und den durch unmittelbare Splitter, Stein-schlag oder Luftdruckwirkung gefährdeten Bereich innerhalb der Absperr-grenze einen "Bereich mit Fliegeralarmzustand" zu legen. In diesem nur durch aus der Luft herunterfallende Splitter, Steine usw., also nur unmit-telbar gefährdeten Bereiche kann in Räumen, die von der Bombe abgewen-det sind, gearbeitet oder gewohnt werden. Alle in diesem Bereich befindli-chen Personen sind vor Betreten der zur Bombe gelegenen Räume zu war-nen. Außerdem dürfen sie sich nicht in der Nähe von Fensterscheiben auf-halten (Glassplittergefahr bei etwaigen Luftdruckschäden). Diese Warnung ist durch die absperrende Polizei gemeinsam mit den Luftschutzwarten durchzuführen. In Werkluftschutzbetrieben ist sinngemäß zu verfahren.

Die vorstehenden Regelungen gelten jedoch nur für die von Großangriffen betroffenen Gebiete, bei denen eine zusätzliche Ausquartierung einer grös-seren Anzahl von Personen Schwierigkeiten bereitet.

USA-Splitter-
bombe "Frag
20 LB" (Abb. 260 u. 261)
258.

Die USA-Splitterbombe Frag 20 LB dient zur Bekämpfung lebender Ziele. Sie wird in Bündeln zu 6 Stück abgeworfen. Unmittelbar nach dem Abwurf wird eine Patrone mit Schwarzpulverladung angeschlagen und zerschießt in einem Rohr die Bindedrähte, mit denen die Bombe gebündelt sind. Die Aus-lösung dieser Patrone geschieht durch einen Draht, der am Abwurfgerät befestigt ist, so daß sich die Bombenbündel unmittelbar unterhalb des Flugzeuges öffnen. Die Bündelung dient also nur zum Vereinfachen des Aufhängens und des Auslösens im Abwurfgerät. Abwürfe, bei denen die Bündel etwa durch einen Zeitzünder nach einem bestimmten Fallweg geöff-net werden, wurden bisher noch nicht beobachtet.

Aufbau der Bombe:

Zünder: Einseitig wirkender Kopfzünder M 110 mit Windradentsicherung und vorn herausragendem verlängertem Schlagbolzen mit Aufschlagteller. Zün-der ist nur für o.V.- Würfe verwendbar. Welcher Zünder bei Tiefangriffen verwendet wird, konnte noch nicht ermittelt werden.

Bombenkörper:

Der Bombenkörper ist nahezu zylindrisch und besitzt ein vierflügeliges Leit-werk, das an einem Stiel am Bombenboden befestigt ist. Als Sprengstoff-füllung dient etwa 1 kg eingegossenes Trinitrotuluol, das in einer zylindri-schen Stahlblechhülse untergebracht ist. Die Stahlblechhülse hat vorn und hinten Gewinde zur Aufnahme des Bombenkopfes und des Bombenbodens. Die Blechhülse ist umgeben von einer Schraubenfeder aus Vierkantstahl. Bei der Detonation zerreißt diese Schraubenfeder in viele kleine Spreng-stücke mit guter Splitterwirkung. Diese Schraubenfeder hat den Vorteil, daß zur Splitterbildung kein Bombenmantel aus hochwertigem Stahl not-wendig ist. Die Bombe entspricht in ihrer Wirkung etwa der deutschen Bombe SC 10. Der Zünder M 110 ist in Ziffer 280 und Abb. 286 beschrie-ben.

USA-
Flüssigkeits-
Brandbombe
M 69 (Abb.
257 u. 258)
259.

Die USA-Brandbombe M 69 ist eine sechskantig-stabförmige Flüssigkeits-brandbombe. Sie arbeitet nach dem Ausstoßprinzip, d.h. beim Aufschlag wird eine im Kopf der Bombe untergebrachte Pulverladung gezündet, die die Brandmasse wie aus einem Abschußrohr nach hinten herausschießt.

Technische Einzelheiten:

Gesamtgewicht etwa 2,7 bis 2,82 kg.
Gewicht der leeren Hülle etwa 1,5 bis 1,55 kg.
Gewicht der Brandmasse 1,2 bis 1,3 kg.

Zusammensetzung der Brandmasse:

                           85–88 % Benzin
                           12–15 % Quellmasse aus Kunststoff.

Die Masse ist gelblich-weiß, klebrig, geleeartig und sieht aus wie Schmier-seife. Die Dichte der Masse (spezifisches Gewicht) beträgt 0,82. Sie schwimmt also auf dem Wasser. Der Siedebereich des Benzins liegt zwi-schen 40 und 175°. Die Brandmasse ist in einem oben zugebundenen Mull-beutel untergebracht.

Ausstoßladung:

Zwei Zelluloidkapseln mit je 5,5 g Pulver.
Aufeuerungssatz im Zünder: 1,8 g Pulver.

Chemische Zusammensetzung des Pulvers:

                            8,1 % Schwefel
                          11,0 % Kohlenstoff
                          47,2 % Kaliumnitrat (Salpeter)
                          23,0 % Aluminiumpulver
                            7,7 % Magnesiumpulver
                            1,5 % Eisen
                            1,5 % Eisenoxyd und Siliciumoxyd.

Zünder:

Der Zünder ist ein einseitig wirkender Aufschlagzünder mit Verzögerungs-röhrchen. Anstelle des sonst üblichen Schlagbolzens schlägt ein Fallge-wicht, das um ein Scharnier drehbar ist, das Zündhütchen infolge seines Beharrungsvermögens beim Aufschlag der Bombe an. Als Sicherung dient ein seitlich aus der Bombe heraustretender Federbolzen, der in gesichertem Zustande durch die Nachbarbombe eingedrückt wird und sich dabei mit seinem inneren Ende unter das Fallgewicht legt.

Leitwerk:

Anstelle eines Leitwerkes sind bei dieser Bombe 4 grüngefärbte Mullbinden von 7,5 cm Breite und 1,5 m Länge am hinteren Ende der Bombe befestigt, die in der Luft flattern und die Bombe ausrichten.

Abwurfgerät:

Die Bomben werden nicht, wie die britischen, aus Schüttkästen, sondern gebündelt abgeworfen. Die Bündel sind mit Blechbändern umschnürt. Durch einen am Abwurfgerät befestigten Auslösedraht werden die Bündel unmit-telbar nach Verlassen des Bombenschachtes geöffnet.

Wirkungsweise beim Aufschlag und Brandbekämpfung:

Beim Aufschlag sticht die Spitze des Fallgewichtes das Zündhütchen an, dessen Feuerstrahl einen Pulverkanal im Innern des Zünders in Brand setzt, der dann über den Abfeuerungssatz die Ausstoßladung zur Entzündung bringt. Die Pulvergase drücken den in der Trennwand zum Flüssigkeitsbe-hälter nur lose eingesetzten Deckel nach innen und schieben den Leinen-beutel mit der Brandmasse nach hinten aus der Bombe heraus. Dabei reißt der Bombenboden, der konservendosenartig in die Bombenhülse eingefalzt und abgedichtet ist, an einer Soll-Bruchstelle ab. Der Beutel mit der Brand-masse wird etwa 20 bis 30 m hoch und ebenso weit brennden aus der Bombe herausgeschossen. Er bildet an der Auftreffstelle einen einzelnen, mit heißer Flamme brennenden Brandherd, der leicht durch Wasser (Sprüh-strahl) oder Sand gelöscht werden kann. Die außerhalb des Beutels in der Bombe wahrscheinlich durch Entmischen enthaltene Brandflüssigkeit von etwa 100 cm³ wird dabei stark zerstäubt und bildet nur kleine, verhältnis-mäßig harmlose Brandspritzer.

Entschärfen von Blindgängern:

Blindgänger sind durch Hereindrücken und Festlegen des Sicherungsstiftes durch Umwickeln transportsicher zu machen. Das Herausschrauben des Zünders geschieht mit Hilfe eines Zapfenschlüssels. Die Zapfen haben 19 mm Abstand, 3 mm Durchmesser und etwa 4 mm Länge. Zentrales Be-schaffen der Schlüssel ist nicht möglich; sie sind bei der Truppe zu ferti-gen.

USA-Elek-
tron-Thermit-
Brandbombe
TH 52
(Abb. 250)
260.

Die USA-Stabbrandbombe TH 52 hat ein Gesamtgewicht von 0,7 bis 0,8 kg. Sie entspricht in ihrem Aufbau der britischen Stabbrandbombe 1,7 kg = INC 4 LB Mark V, jedoch fehlt der Stahlkopf. Die Thermitfüllung besteht aus 0,25 kg Brandmas-se, die folgende Zusammensetzung hat:

                        55    % Eisenoxyduloxyd
                    21    % Natriumnitrat
                    21,5 % Aluminium
                      1,5 % Schwefel
                      1    % Verunreinigungen.
   

Das Leitwerk ist pyramidenartig zusammengesetzt, so daß sich drei Steue-rungsflügel ergeben, die dann ihrerseits wieder von einem sechs-eckigen Leitring umgeben sind.

Abbranderscheinungen: Die Bombe ergibt bei ihrem Abbrand leichte Sprüh-erscheinigungen, die Elektronhülle zerläuft schon nach wenigen Sekunden. Zerleger oder Sprengkopf wurden bisher noch nicht beobachtet. Brandbe-kämpfung wie bei britischen Stabbrandbomben.

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