Belehrungsblatt 8 (Ziffern 203 bis 207)Belehrungsblatt 8 (Ziffern 213 bis 215)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 8
Engl. Groß-
Phosphor-
brandbombe
INC 4000 LB
= 1800 kg
(Abb. 189)
208.

Seit 15 Oktober werden bei Großangriffen auf das Reichsgebiet durch vor-ausfliegende "Pfadfinderflugzeuge" Groß- Brandbomben abgeworfen. Es sol-len auf diese Weise von oben gut sichtbare Brandherde erzeugt werden, die zur Zielansprache zwecks Einweisung der nachfolgenden Flugzeuge be-nutzt werden. Zusatz von Chemikalien zur Buntfärbung der Flamme ist nicht ausgeschlossen. Die Bombe dient daher weniger als Brandbombe, sondern in erster Linie als Markierungsbombe zur Erzeugung eines stark leuchtenden Ansteuerungspunktes, der längere Zeit sichtbar ist. Deshalb werden sie bisher nur außerhalb der Ziele in freies Gelände geworfen.

Aufbau der Bombe:

a) Bombenhülle:

Unter Verwendung der Hülle der Minenbombe HC 4000 LB – siehe Beleh-rungsblatt 6, Abb 97. linke Seite –, die für den neuen Verwendungszweck einige Änderungen im inneren Auf-bau erhalten hat, wurde eine zylindrische Flüssigkeitsbombe gebaut.

Gegenüber der bisher bekannten Minenbombe HC 4000 LB weist der Bom-benkörper folgende Änderungen im Aufbau auf:

Der Bombenboden ist nicht mehr eingeschraubt, sondern unmittelbar mit dem Zylindermantel verschweißt. Der zylindrische Hohlraum ist durch eine kreisförmige durchlöcherte Zwischenwand seiner Länge nach in zwei Teile geteilt und dadurch hinsichtlich der Festigkeit ver stärkt. Außerdem werden dadurch ein "Schwabbeln" der Flüssigkeit und unerwünschte Schwingungen vermieden (Schwabbelbleche wie in großen Benzintanks bei Flugzeugen). An der Seite der Aufhängeöse befinden sich noch halbkreisförmige Winkel-eisen, die einer Verformung des Bombenkörpers in aufgehängtem Zustande im Flugzeug beim Starten infolge Unebenheiten des Rollfeldes verhindern sollen. Bei der Minenbombe war diese Verstärkung nicht notwendig, da der feste Sprengstoff dem ganzen Bombenkörper eine gewisse Festigkeit gab.

b) Innerer Aufbau:

In Längsachse der Bombe vom Kopfzünder bis zur Mitte des Bombenbodens führt ein Zentralrohr, in dem sich an der Spitze und am Bom benboden je eine Zünderbuchse befinden. Das Zentralrohr hat eine lichte Weite von 65 mm und eine Wandstärke von 4 mm. In seinem vorderen Teil befindet sich die Aufreißladung, der hintere Teil ist durch einen Holzpfropfen blind geladen. Wie groß die Aufreißladung ist, welches Gewicht sie hat und aus welchem Sprengstoff oder welcher Pulverart sie besteht, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Dieses Zentralrohr ist umgeben von einem Rohr von 110 mm lichter Weite und 3 mm Wandstärke, das sich am Bom-benboden zu einem Topf von 175 mm Durchmesser erweitert. Der Zwi-schenraum zwischen den beiden Rohren ist mit eingegossenem Phosphor ausgefüllt. Der Phosphor wird durch zwei Einfüllöffnungen eingefüllt, die sich im Deckel des Topfes, also im Bombenboden, rechts und links neben der Zünderbuchse befinden und durch Schrauben verschlossen werden. Ob die Phosphorfüllung von der Bombenspitze bis zum Bombenboden reicht oder ob nur die Umgebung der Aufreißladung mit Phosphor gefüllt ist, konn-te bisher noch nicht ermittelt werden. Die fehlenden Maß- und Gewichts-angaben werden ergänzt, sobald Blindgänger zur Untersuchung zur Verfü-gung stehen.

c) Leitwerk:

Hohler Blechzylinder von 680 mm Durchmesser und 1,5 mm Wand stärke (Weißblech).

d) Füllung:

Als Brandmasse dient eine Benzol-Kunstharz-Mischung, mit der der gesam-te Innenraum der Bombe ausgefüllt ist. Die Brandmasse wird durch eine seitliche Einfüllöffnung, die bisher bei den Minenbomben als seitliche Zün-derbuchse ausgebildet war, eingefüllt. Der genaue Inhalt, d.h. die Menge der Brandmasse, konnte noch nicht ermittelt werden, da bisher nur ausge-brannte Bomben untersucht werden konnten. Wahrscheinliche Menge: 800 Liter. Die Kunstharzmasse ist gegenüber der in den 30 LB-Brandbomben verbessert worden, zieht längere Fäden und unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Klebrigkeit und Fladenbildung kaum von Rohkautschuk-Brandmasse.

Anstrich der Bombe:

Graugrün, für Außenbordaufhängung teilweise schwarz überspritzt. Es wur-den auch rotbraune Farbreste gefunden, so daß anzunehmen ist, daß die Bombe durch rote Farbringe in der bisher üblichen Weise als Brandbombe gekennzeichnet ist.

Wirkungsweise:

Der im Kopf eingebaute Zünder Nr. 27 spricht ohne Verzögerung an, ent-zündet die Aufreißladung und diese schießt den Phosphorinhalt, der sie um-gibt, in die Benzol-Kunstharzmasse hinein. Die Bombenhülle wird in mehrere große Stücke zerissen und die Brandmasse als große Fladen brennend nach allen Seiten herumgespritzt.

Schadenswirkung:

Bisher wurden nur Treffer in freiem Gelände beobachtet. In weichem Boden Trichterbildung etwa wie bei einer Sprengbombe 500 LB, d.h. 2 bis 3 m Tiefe und etwa 5 m Durchmesser. Dieser Trichter entsteht aber auch bei Blindgängern und ist nicht auf die Sprengladung zurückzuführen, sondern auf die beim Aufprall verdrängte Erde. Teile der Bombenwandung und Fla-den der Brandmasse wurden bis etwa 75 m weit im Umkreis herumgespritzt. Auf festem Untergrund, Straßen usw. spricht der Zünder schneller an und die Bombenteile sowie Fladen der Brandmasse werden bis zu 150 m weit herum-geschleudert. Treffer in Gebäuden wurden noch nicht beobachtet, es ist jedoch anzunehmen, daß die Bombe zwar beim Durchschlagen des Daches anspricht, die schweren Eisenteile, die nicht seitlich weggeschleu-dert werden, aber in ihrer ursprünglichen Fallrichtung ein bis zwei Stock-werke durchschlagen und durch Benzoldampfexplosion im Innern des Ge-bäudes erhebliche Zerstörungen verursachen.

Bei blindgegangenen Bomben ist größte Vorsicht am Platze, da die Erfah-rungen mit den Minenbombenblindgängern gezeigt haben, daß fast regel-mäßig der Boden herausplatzt. In diesem Falle würde das Phosphorrohr un-dicht, die Phosphorfüllung kommt mit der Luft in Berührung und die Masse kann noch nach mehreren Stunden in Brand geraten, so daß dann ein nachträglicher Zerknall auftritt.

Zusammenfassende Betrachtung:

Der Aufbau dieser Bombe stellt gegenüber den bisherigen Flüssigkeits-brandbomben einen Fortschritt dar, weil die Phosphorfüllung mechanisch vollkommen von der Kunstharzlösung getrennt ist und die Einfüllöffnungen für den Phosphor und für die Flüssigkeit räumlich weit auseinander liegen. Es wird dadurch eine größere Einlagerungssicherheit erreicht, so daß, wenn einer der beiden Verschlüsse undicht wird, kaum eine größere Brander-scheinung zu erwarten ist. Diese Einlagerungsschwierigkeiten haben wahr-scheinlich bei den kleinen Phosphorbrandbomben INC 30 LB dazu geführt, an Stelle der wesentlich wirksameren Phosphor-Schwefel-Zündlösung ein-gegossenen Phosphor in der Bombenspitze zu verwenden.

Sollten Blindgänger geborgen werden, so sind sie zwecks Bergung für Ver-suche fernschriftlich oder fernmündlich dem Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe zu melden. Sie sind durch Überdecken mit feuchtem Sand vor Luftzutritt und Selbstentzündung zu schützen.

Änderungen
an der engl.
Brandbombe
INC 30 LB
(Abb. 190)
209.

Die englische Brandbombe INC 30 LB Mark III weist gegenüber der früheren Bombe Mark II (dargestellt in Belehrungsblatt 7, Abb. 122) einige Änderun-gen hinsichtlich ihres mechanischen Aufbaues auf. Für das Einsetzen des Bodens wurde anscheinend ein neues Schweißverfahren eingeführt und die Dichtungsschraube wurde verbessert. Sie hat nur noch zwei Schlüsselflä-chen. Als Zünder wird die Ausführung Nr. 846 Mark I A, anscheinend eine amerikanische Ausführung, aus gegossenenm Messing an Stelle der frühe-ren gedrehten Ausführung verwendet.

Die neue Bombe weist in ihrer Zylinderwandung eine Längsschweißnaht auf, ist also aus zusammengebogenem Blech gefertigt, während die Mantelwan-dung der früheren Bomben Mark I und II aus nahtlos gezogenem Stahlrohr gefertigt war. Der Einfüllstutzen ist von innen in den Boden eingeschweißt.

Besondere Be-
obachtungen
bei engl. Stab-
brandbomben
(Abb. 228,
229, 230)
210.

Waagerecht liegende Stabbrandbomben mit Schwarzpulverzerleger, die mit Sand zugedeckt worden sind, geben häufig zu folgenden Beobachtungen Anlaß:

Infolge der Detonation im Einschluß unter Sand wird der Stahlkopf mit ei-nem Teil des brennenden Elektronmantels aus dem Sandhaufen herausge-schossen (raketenartiger Rückstoßwirkung des Schwarzpulversatzes) und kann unter günstigsten Umständen noch in einigen Metern Entfernung eine Tür durchschlagen. Auf diese Weise ist das Gerücht von den "springenden Brandbomben" entstanden. Außerdem wurde beobachtet, daß bei Stab-brandbomben mit Sprengkopf "Ausbläser" vorgekommen sind. In diesem Fal-le wird ein schwacher dumpfer Knall beobachtet, der zur Folge hat, daß der Stahlkopf und etwa 6 bis 8 cm des Elektronmantes (letzterer in brennen-dem Zustand) fortspringen und der Sprengsatz unter Fauchen und Zischen in 3 bis 5 Sekunden ausbrennt.

(Siehe auch Ziffer 235 u. 240.)

Engl. Bombe
GP 40 LB mit
Bremsfall-
schirm
211.

In Beutelagern wurde die englische Bombe GP 40 LB mit Bremsfallschirm ge-funden. Über einen Einsatz dieser Bombe liegen bisher keine einwandfreien Meldungen vor. Anscheinend hat der Bremsfallschirm, der durch den Stau-druck des Luftstromes unmittelbar nach dem Herausfallen der Bombe aus dem Bombenschacht geöffnet wird und dabei den Zünder Nr. 33 entsichert, die Aufgabe einen o.V.-Wurf der Bombe im Tiefangriff zu ermöglichen. Durch den Fallschirm, der einen Durchmesser von 800 mm hat, bleibt die Bombe weit hinter dem abwerfenden Flugzeug zurück und berührt den Bo-den erst, wenn sich das Flugzeug außerhalb des Splitterbereiches der Bom-be befindet.

Auf diese Weise wird ein o.V.-Wurf im Tiefangriff gegen lebende Ziele oder abgestellte Flugzeuge ermöglicht. Ein wahlweiser Abwurf mit und ohne Fall-schirm durch Umschaltung während des Fluges wie bei den russischen Fall-schirmbomben ist jedoch nicht möglich, da die Fallschirmhülse fest mit dem Leitwerk verschraubt ist. Im übrigen entspricht die Bombe hinsichtlich ihres Aufbaues und Sprengstoffinhaltes der Bombe GP 40 LB gemäß L.Dv. 764 Beiheft 1 Zeichnung 4. Die Fallschirmbombe hat die Bezeichnung "GP 40 LB Mark III".

Engl. Bomben-
leitwerk
"Short" für
GP 500 LB
(Abb. 192)
212.

Das in Abb. 192 dargestellte Schnappfederleitwerk wird vorzugsweise für die Bombe MC 500 LB (siehe Abb. 127) verwendet. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß es bei anderen Bombenbaumustern Anwendung findet. Es wurde entwickelt, um englische Bomben in den Schächten amerikani-scher Flugzeuge, z.B. "Moskito", die kürzer sind, aufhängen zu können.

Zwei der Schnappfedern können durch Sperriegel gegen unbeabsichtigtes Ausrasten gesichert werden. Trotz dieser Festlegung geht das Leitwerk häufig in der Luft verloren und die Bomben gehen durch flachen Aufschlag blind. Anstrich der bisher gefundenen Leitwerke dunkelgrün.

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