Belehrungsblatt 7 (Ziffern 164 bis 169)Belehrungsblatt 7 (Ziffern 174 und 175)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 7
Erkennen von Einschlagstel-
len nichtdeto-
nierter Bomben
170.

In zahlreichen Fällen, ganz besonders bei Reihen- und Massenabwurf, wur-den in der letzten Zeit Minen- und Sprengbombenblindgänger bei den ers-ten Feststellungen nicht als solche richtig erkannt, sondern als bereits de-tonierte Bomben angesprochen und behandelt. Die durch den Einschlag solcher Blindgänger entstandenen Trichter, Löcher und Kanäle wurden zu-geschüttet und von einer Absperrung Abstand genommen. Auf Grund der Mutmaßungen eines manchmal nur durch Zufall an Ort und Stelle erschei-nenden Feuerwerkers des zuständigen Sprengkommandos wurden dann auf dessen Anordnung Freilegungsarbeiten vorgenommen und Minen- bzw. Sprengbombenblindgänger festgestellt.

a) Minenbomben:

Es wird daher besonders darauf hingewiesen, daß blindgegangene Minen-bomben, wenn sie als Querschläger niedergehen, durch die Wucht des Auf-pralles einen Trichter bis zu 3 m Durchmesser und bis zu 1½ m Tiefe her-vorrufen, während der durch eine detonierte Minenbombe verursachte Trichter selbst auf weichen Böden freien Geländes flach und von geringer Tiefe, bis zu ½ m, ist.

Bei aufmerksamer Inaugenscheinnahme der nächsten Umgebung der Ein-schlagstelle läßt sich in allen Fällen unschwer feststellen, ob es sich um einen Blindgänger oder um eine bereits detonierte Bombe handelt.

Durch die Detonation einer Minenbombe wird die Vegetation der nächsten Umgebung der Einschlagstelle bis zu 10, 20, oft bis zu 30 m im Umkreis völ-lig abgerupft und geschwärzt. Die Wirkung der Druckwelle einer detonierten Minenbombe ist auch an Zäunen, Mauerwerk, Bauten, Bäumen, Türen und Fenstern in unmittelbarer Nähe der Einschlagstelle leicht erkennbar.

Kann aus den angegebenen Merkmalen und sonstigen Kennzeichen bei na-he beieinander liegendem Abwurf mehrerer Bomben nicht mit Sicherheit auf erfolgte Detonation jeder einzelnen geschlossen werden, so sind die Scha-denstelle abzusperren und das zuständige Sprengkommando zu benach-richtigen.

b) Sprengbomben:

Ähnlich verhält es sich mit Erkennungsmerkmalen für detonierte und nicht detonierte Sprengbomben. Auch hier gibt, vor allem bei Massenabwurf, die besten Anhaltspunkte für die Erkundung von Blindgängern die allernächste Umgebung von Einschlagstellen. Sind in ihrer unmittelbaren Nähe keine Zer-störungen an Mauerwerk, an Gebäuden, an der Vegetation usw. erfolgt, sind keine größeren Sprengstücke und Auswirkungen von solchen feststell-bar, so muß mit dem Vorhandensein eines Blindgängers gerechnet werden.

Gemachte Erfahrungen lehren, daß ein Feindflugzeug in der Regel entweder 3 bis 6 Sprengbomben größeren Kalibers (250 und 500 im Mischwurf mit 1000 LB) oder 8 bis 10 Sprengbomben kleineren Kalibers (40 LB) in einer Reihe zum Abwurf bringt. Befindet sich nun in einer Abwurfreihe von Sprengbomben größeren Kalibers eine verhältnismäßig kleine Einschlagstelle (etwa von einem blindgegangenen Querschläger), so darf nicht, wie das häufig geschieht, auf den vereinzelten Abwurf einer detonierten Spreng-bombe kleinen Kalibers geschlossen werden, sondern es muß grundsätzlich in jeder Abwurfreihe ein Blindgänger (LZZ), der das gleiche oder ähnliche Kaliber wie die bereits detonierten Sprengbomben der Reihe hat, vermuten werden.

In allen Zweifelsfällen ist Absperrung vorzunehmen und das zuständige Sprengkommando zu benachrichtigen.

Einzelheiten zur engl. Bombe
AT 9 LB
(Abb. 131)
171.

Die in Belehrungsblatt 6 Ziff. 150 und Abb. 98a beschriebene Kleinst-Mi-nenbombe AT 9 LB konnte inzwischen näher untersucht werden. Es wurde dabei festgestellt, daß die Abkürzung nicht, wie ursprünglich angenommen, "Air-Terror", sondern "Anti-Tank" bedeutet. Die in Abb. 98a angegebenen Maßangaben sind um einige Millimeter ungenau, da die früher gefundenen Bomben fast vollständig zerschellt waren. Der Querschnitt der Bombe ist an der Stirnfläche etwas kleiner als am Leitwerk. Dadurch lassen sich die Bom-ben ineinander schieben und beanspruchen sehr wenig Platz. Die in der Stirnseite eingebaute leere Hülse legt sich dann über den Zünder der davor liegenden Bombe. Es ist anzunehmen, daß diese Aussparung an der Stirn-seite die Explosionswirkung der Bombe in der Abwurfrichtung etwas ver-stärkt.

Die Entsicherung des Zünders geschieht dadurch, daß mit Hilfe eines 28 cm langen, etwa 2 cm breiten Leinwandbandes ein dünner, mit Gelenken ver-sehener Vorstecker aus dem Schlagbolzen herausgezogen wird. Der Vor-stecker sitzt mit sehr viel Spielraum im Schlagbolzen und infolge seiner Ge-lenke wie eine Kette herausgezogen. Der in Abb. 98a dargestellte Vorstek-ker mit Ring ist anscheinend eine Transportsicherung und wurde verse-hentlich steckengelassen, so daß die Zünder der betreffenden Bombe nicht ansprachen und geborgen werden konnten.

Die gewöhnlich verwendeten Leinwandstreifen sind zusammengefaltet und werden bei eingesetztem Sicherungsstecker durch die Aussparung in der Stirnseite der nächsten dahinterliegenden Bombe zusammengehalten. Auf die letzte Bombe, für die dann keine nächstfolgende Bombe zur Sicherung des Leinwandstreifens zur Verfügung steht, wird eine Blechhülse aufge-schoben. Die Blechhülse hat hinten einen quadratischen Teller mit abge-rundeten Ecken, der genau in das offene Leitwerk hineinpaßt. Beim Abwurf der Bomben, die zu 10 Stück ineinandergeschoben sind, drückt der Luft-strom (Staudruck) durch die seitlichen Öffnungen im Leitwerk der letzten Bombe die Sicherungshülsen hinten aus dem Leitwerk hinaus. Der Luftstrom entfaltet das Band und zieht den Vorstecker aus dem Zünder. Die Wirbel-bildung des Luftstromes in den halbkreisförmigen Leitwerksöffnungen löst die letzte Bombe aus der davorliegenden heraus und entsichert damit auch den davorliegenden Zünder der nächsten Bombe. Dieser Vorgang wieder-holt sich, bis der ganze Bombenstapel auseinandergerissen ist. Sollten wirklich 2 oder 3 Bomben verklemmt sein und ineinander stecken bleiben, so schadet das nichts, denn in der letzten Bombe ist der Zünder entsichert und der Bombenstapel wirkt wie eine Bombe.

In dem englischen Behälter für Brandbomben, Baumuster "SBC 250 LB = Small-Bombs-Container 250 LB", lassen sich 4 Bom-benstapel zu je 10 Stück, also 40 AT-Bomben, unterbringen.

Sprengversuche mit dem plastischen Sprengstoff, der an sich eine neuarti-ge Zusammensetzung darstellt, haben ergeben, daß er in seiner Wirkung etwa einem Nitropenta mit 10% Wachs gleichkommt und etwas über dem Wert von Trinitrotuluol (Dichte 1,6) und auch über dem von Pikrinsäure (Dichte 1,7) liegt. Die gelatineartige Beschaffenheit in Verbindung mit der herabgesetzten Empfindlichkeit erfordern zur Sicherung der Detonationslei-tung eine gute Übertragungsladung. Auch diese bestand aus einer neuarti-gen Mischung, und zwar aus Tetryl und Trinitrotuluol im Verhältnis 39,8 zu 60,2. Bisher wurde in den englischen Übertragungsladungen entweder rei-nes Trinitrotuluol oder reines Tetryl in Form von Preßkörpern verwendet. Tetryl läßt sich nicht gießen und Tri hat eine geringere Empfindlichkeit. Das neue Gemisch, das bei 62,5° erstarrt, hat gegenüber Tetryl den Vorteil der Gießbarkeit und gegenüber Trintrotuluol die hier notwendige Eigenschaft, empfindlicher als dieses zu sein. Zudem handelt es sich um eine Streckung des hochwertigen (Tetryl) durch den wohlfeileren Sprengstoff (Tri), die sich in dieser Art allerdings nur in den Fällen anwenden läßt, in denen der tiefe Erstarrungspunkt von nur etwas über 60° nicht als nachteilig anzuse-hen ist. Andernfalls besteht die Gefahr des Auslaufens bei Einlagerung mit starker Sonnenbestrahlung (tropische Verhältnisse). Die Bombe wurde trotzdem bisher nur auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz in größeren Mengen zum Einsatz gebracht und auf dem europäischen Kriegsschauplatz nur gegen abgestellte Fahrzeuge zusammen mit 20 und 40 LB-Splitterbom-ben in ganz seltenen Fällen abgeworfen.

Falscher Einsatz von Sprengkom- mandos
172.

Unfallberichte lassen erkennen, daß sich Sprengkommandos, die nur zur Blindgängerbeseitigung vorgesehen sind, an Trümmer- und Lückenspren-gung zur Beseitigung von Bauwerken beteiligt haben. Die Beseitigung von Bauwerken durch Sprengung ist Aufgabe der LS.-Abteilungen (mot.) der Luftwaffe oder LS.-Polizei, die hierfür besonders ausgebildete Fachkräfte haben, da besondere bautechnische Kenntnisse und Pionierausbildung not-wendig sind. Die für die Blindgängerbeseitigung vorgesehenen Sprengkom-mandos dürfen erforderlichenfalls höchstens Mauerdurchbrüche sprengen, um die Freilegung einer Bombe zu ermöglichen. Für das Sprengen von Brandgassen oder das Umlegen ausgebrannter oder einsturzgefährdeter Gebäude dürfen sie nicht herangezogen werden.

Unfall bei Be- seitigung einer 18 Monate liegenden LZZ-Bombe
173.

Bei der Beseitigung einer Langzeitzünderbombe 18 Monate nach ihrem Ab-wurf wurde festgestellt, daß es sich um eine GP 500 LB alter Bauart mit außen sitzendem Langzeitzünder handelte. Der Zünder wurde gemäß Bei-heft 1 zur L.Dv. 764 Ziff. 7 und Zeichnung 29 abgesprengt und das Rohr brach ordungsgemäß am Bombenboden ab. Der Zünder selbst mit einem Teil der außerhalb des Bombenbodens sitzenden Übertragungladung wurde mehrere Meter fortgeschleudert und infolge des dichten Grasbewuchses nicht gefunden. Während des Nachsuchens nach dem vermutlich sehr stark beschädigten Zünder kam dieser, bevor er gefunden wurde, zur Detonation und die Splitter des Zünderschutzrohres verletzten einen Oberfeuerwerker lebensgefährlich. Obwohl dieser Unfall auf eine Verkettung von unglückli-chen Umständen zurückzuführen ist und keinen Anlaß zu einer Änderung der L.Dv. 764 gibt, muß folgendes beachtet werden:

a)

Der engl. Langzeitzünder ist auch nach 1½ Jahren noch arbeitsfähig. Die Sicherheitsmaßnahmen dürfen auf keinen Fall vernachlässigt wer-den.

b)

Auch starke Verformungen, wie sie nach Anwendung der in Zeichnung 29 in Beiheft 1 zur L.Dv. 764 angegebenen Sprengung am Zünder auf-treten, setzen den Zünder erst dann außer Betrieb, wenn der Schlag-bolzen so stark verbogen ist, daß er bewegungsunfähig wird.

 

Abmessung des Schlagbolzens und Abstand desselben vom Bombenboden müssen bei der Beurteilung von geknickten Zünderrohren beachtet werden. Diese Punkte sind bei der Beurteilung der Gefährlichkeit von Langzeitzün-derbomben alter Bauart, die freigelegt werden oder frei in Gebäuden liegen und äußere Beschädigungen am Zünderrohr zeigen, zu beachten.

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