VerteidigungIV. Der Munitionsverbrauch im taktischen Rahmen an Hand von Beispielen
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
III. Beispiele der Munitionsverbrauches im
operativen Rahmen
Verfolgung

Für die am 28. Juni 1942 begonnene Offensive der Operation "Blau" war aus der Hee-resgruppe Süd die Heeresgruppe "A"gebildet worden. Nach dem Durchbrechen der russi-schen Front im Abschnitt zwischen Isjum und Kursk setzte die Verfolgung des weichen-den Gegeners ein. Am 23. Juli 1942 fiel Rostow in die Hand deutscher Truppen, und bis Monatsende war der große Donbogen erreicht. Am 21.8.1942 standen deutsche Soldaten im Ölgebiet um Maikop und am Schwarzen Meer. An dieser weitreichenden Operation wa-ren insgesamt 50 Divisionen beteiligt und der höchste Munitionsverbrauch am 2. Angriffs-tag mit 3.131 t erreicht. Der Gesamtverbrauch für die volle zwei Monate dauernden Kampfhandlungen ist mit 77.193 t (171.5 Zügen) gemeldet worden.

Der Tagesdurchschnitt von 1.245 t ergibt je Division nur 25 t Munition. Diese Menge er-reicht kaum 5% der normalen deutschen ersten Munitionsausstattung obwohl in den Zah-len der hohe Munitionsverbrauch der ersten Kampftage für das Durchbrechen der russi-schen Front inbegriffen ist.25)

Wenn also der deutsche Generalstab für seine Planungen einen Verbrauch von 1/10 einer ersten Munitionsausstattung in der Verfolgung vorgesehen hat,26) so ist in dieser Zahl schon ein beträchtlicher Sicherheitsfaktor berücksichtigt, der infolge von Nachschub-schwierigkeiten und Mangel an Transportmitteln oder durch Gelände- und Wegeschwie-rigkeiten infolge der ständig größer werdenden Entfernungen zwischen der Versorgungs-basis und der kämpfenden Truppe entstehen kann. Der Generalquartiermeister des Heeres mußte durch die Errichtung von Nachschubstützpunkten und rasch zusammengefäßte Kraftwagenkolonnen mit allen Mitteln der Improvisation versuchen, den Bedarf der Kampf-truppen an Munition und Betriebsstoff wenigstens einigermaßen sicherzustellen, bis durch Umspurung und Weiterführung der Eisenbahn über Rostow hinaus eine Erleichterung der Versorgung eintrat.

Mit wie geringen Munitionsmengen und mit welch oft zahlenmäßig weit unterlegener Waf-fenausstattung die deutschen Truppen im Angriff und in der Verteidigung fast immer zah-lenmäßig und materiell weit überlegenen Feindkräften gegenüberstanden, zeigt der in ein-zelnen großen Schlachten aufgetretene Gesamtverbrauch. Wir haben dabei gesehen, daß der mengenmäßige Verschuß zwischen Angriff und Verteidigung von einigen Extremfällen abgesehen, keine allzugroßen gewichtsmäßigen Differenzen auf-weist.

Die Gruppe Munition OKH/GenQu. hat auch ein prozentuelles Verhältnis des Verbrauches der einzelnen Munitionsarten untereinander für einen Zeitraum von 28 Kriegsmonaten, von Beginn des Rußlandfeldzuges am 22.6.1941 bis 30.11.1943 errechnet. Insgesamt sind in diesem Zeitraum von der Truppe verschossen worden oder durch Feindeinwirkung verlo-rengegangen 3,555.965 t Munition, d.s. 7.092 Munitionszüge. Diese Zahl schlüsselt sich nun in die einzelnen Munitionsarten wie folgt auf, und es ergibt sich nachstehendes Ge-samtbild über das Ver-hältnis des Verbrauches an einzelnen Munitionsarten untereinan-der:

 

Gesamtverschuß

leichte InfMunition bis 20 mm: 229.562 t = 6.4%  
schwere InMunition bis 150 mm: 484.555 t = 13.4%  
KwK. Munition 50 bis 80 mm: 73.649 t = 2.1%  
ArtlMunition und Flak bis 150 mm: 2,267.548 t = 64.0%  
ArtlMunition über 150 mm: 276.363 t = 7.7%  
Pi. und Sprengmittel, Handgranaten: 100.280 t = 2.8%  
übrige Munition: 123.996 t = 3.6%  

Aus dieser Übersicht ist eindeutig das gewichtsmäßige Übergewicht der großen Kaliber der Artilleriemunition zu erkennen. Ein Umstand der ganz besondere Bedeutung für das Trans-portwesen und den Nachschub hat.

Erfahrungen des Nachschubs im Osten.

Im Kapitel über den Westfeldzug wurde schon einiges über die Leistung des Nachschubs, die Kolonnenabteilungen des Großtransportraumes und die Zweckmäßgkeit sogenannter "Versorgungskoffer" gesagt. Hier soll noch einiges hinzugefügt werden, soweit es sich auf neue Erfahrungen im Osten über den Munitionsnachschub und die Munitionsversorgung der Truppe bezieht.

Zunächst wurde von allen für die Versorgungsführung verantwortlichen Kommandostellen der im Westfeldzug aufgetreten Gedanke sortierter "Handkoffer" für Munition weiter ver-folgt. Aus den vorliegenden Erfahrungsberichten konnte der Generalquartiermeister des Heeres im März 1942 die Feststellung treffen, daß sich zu große "Handkoffer" infolge der durch sie bedingten umfangreichen Kolonnen nicht bewährt haben.26) Es war auch nicht möglich, sie bei weiträumigen Marschbewegungen weit genug vorwärts in die Marschkolonnen einzuordnen, sodaß sie im Bedarfsfall rechtzeitig zur Stelle gewesen wä-ren. Da bei Anlaufen von Operationen deren Tempo, die Straßenverhältnisse im Operati-onsraum und der Verbrauch an Versorgungsgütern – in erster Linie Munition – nicht vor-her bestimmt werden konnten, waren Führungsmaßnahmen am zweckmäßigsten, die die Güter möglichst weit nach vorne verlagerten. Eine Entscheidung über Stärke und Rich-tung der Versorgungsführung war gewöhnlich erst nach Übersicht über den Fortgang der Operationen möglich. Die Eingliederung kleiner "Handkoffer" weit vorwärts in die Truppe, zum Teil direkt an vorgeschobene Kampfteile angehängt (Panzerkräfte), haben sich bei Divisionen und Korps sehr bewährt und als durchaus zweckmäßig erwiesen.

Die Erfahrungen beim "Großtransportraum" haben dessen Einsatzmöglichkeit für den ra-schen Nachschub insbesonders von Mangelmunition bis zu den Heeresgruppen und nur in wenigen Fällen infolge von Geländeschwierigkeiten bis zur Armee erwiesen. Schwerlast-züge können auf unbefestigten Wegen nur unter besonders günstigen Umständen Ver-wendung finden. Bei der Planung ist ein durchschnittlicher Prozentsatz von rund 20% der zur Verfügung stehenden Isttonnage infolge Reparatur- oder technischen Ausfalles abzu-setzen.

Gerade der Ostfeldzug hat die Notwendigkeit von Improvisationen auf dem Transportge-biet besonders gezeigt. Es seien hier nur einige Mittel für den laufenden Munitionsnach-schub erwähnt, wie z.B. die Bildung von Panje-Kolonnen, die Einschaltung von Eisenbahn-Pendelbetrieb und die Zusammenfassung von Trossen und Truppenfahrzeugen für Nach-schubaufgaben.

Zum Abschluß der Betrachtungen über den Munitionsverbrauch im operativen Rahmen des deutschen Heeres im 2. Weltkrieg sei ein Gesamtbild des Verschusses in den Jahren 1941 – 1943 graphisch gegeben.27) (ANLAGE 23) In dieser Menge ist der Gesamtverlust mit 219.129 t Munition oder rund 6% des Gesamtverbrauches beinhaltet. Eine Aufschlüssel-ung der Verlustzahlen gibt ANLAGE 24.

Es ist sicher interessant, hier eine kurze Kostenberechnung der verbrauchten Munition nach einer Durchschnittsberechnung der zuständigen OKH-Dienststellen anzuführen. Sie ergibt, daß bei einem Durchschnittswert von rund 2000 Reichsmark pro Tonne Munition der Krieg im Osten vom Juni 1941 bis November 1943 allein munitionsmäßig 6;111,930.000.- Reichsmark gekostet hat.27)

VerteidigungIV. Der Munitionsverbrauch im taktischen Rahmen an Hand von Beispielen