Die deutsche Rüstung und Kriegsproduktion bis 1941II. Der Munitionsverbrauch im operativen Rahmen
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
I. Einführung
Die Dienststelle des Generalquartiermeisters des Heeres
(OKH GenSt.d.H./Gen.Qu.) als oberste Stelle der Versor-
gungsführung und des Munitionsnachschubes

Innerhalb der deutschen Wehrmacht trug im Oberkommando des Heeres eine General-stabsabteilung, der Generalquartiermeister des Heeres, die Verantwortung für die Versor-gung der Truppe mit Munition. Zur Erfüllung dieser Aufgabe – der Generalquartiermeister hatte selbstverständlich das umfassende Gebiet der Heeresversorgung zu führen – war ein eignes Referat, die Gruppe Munition unter der Leitung eines Generalstabsoffiziers, ein-gerichtet. Die Gliederung dieser Gruppe ist in der ANLAGE 4 ersichtlich.

Die Gruppe Munition hatte die Aufgabe, dem Generalquartiermeister alle Unterlagen über vorhandene Munitionsmengen auf dem letzten Stand zu halten. Sie hatte weiters die Grundlagen für die Munitionsversorgung: die Kenntnis des Munitionsbedarfes entspre-chend der eigenen Absicht und der Feindlage sowie den Zeitbedarf für die Zuführung in Zusammenarbeit mit der Dienststelle des Chef Transportwesen im OKH zu erarbeiten. Auch für den Abschub und die Rückleitung beschossener Munitionsteile, leeren Packmate-rials und  freigewordenen Stapelmaterials hatte die Gruppe Munition zu sorgen. Ein eige-nes Referat befaßte sich mit Beutemunition, deren Bestand und Einsatz. Auf Grund dieser Unterlage konnte der Generalquartiermeister des Heeres seine Entscheidungen für den Munitionsnachschub treffen.

Im Zusammenhang mit der Munitionsproduktion hatte der Generalquartiermeister nur die Möglichkeit das Heereswaffenamt1) auf Engpässe und Mangelmunition besonders hinzu-weisen und diesbezügliche Forderungen an den Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres (Personalunion ab 1942) zu stellen. Er hatte aber nicht nur die Sorge der zeitgerechten Bereitstellung der für den Nachschub benötigten Munition, sondern war auch für deren Abruf bei den Heeresmunitionsanstalten zuständig. Je nach Verbrauch und zu erwartendem Bedarf wurde die Munition normalerweise im Eisenbahntransport, nur in seltenen Ausnahmefällen im LKW-Transport den Heeresgruppen oder Armee-Munitionsla-gern zugeführt. Selbstverständlich konnte dabei, wenn eine schienenmäßige Möglichkeit dazu bestand, auch ein Teil des Eisenbahnnachschubs bis zu einem Ausladebahnhof im Einsatzraum einer Division vorgebracht werden. Später ist infolge des dringen Munitions-bedarfs der Front und um jede zeitliche Verzögerung des Munitionsnachschubs zu vermei-den, bereits eine direkte Abfertigung der Eisenbahnwaggons aus den Fabriken und Erzeu-gungswerken erfolgt. Es wurden eben die in den einzelnen Fabriken beladenen Waggons über Bahnsammelpunkte geführt, wo die Zusammenstellung der für eine Heeresgruppe oder Armee bestimmten Munitionszüge vorgenommen wurde. Die militärische Abnahme wurde in solchen Fällen von eigens dazu eingesetzten Offizieren (Offz.W.2)) noch direkt im Erzeugerwerk vorgenommen und nicht, wie normalerweise vorgesehen, bei den Heeres-munitionsanstalten. Ein Munitionszug umfaßte im allgemeinen 450 t, ein mit verschieden-artigen Munitionssorten beladener dagegen wegen der Sicherheitsmaßnahmen beim Lade-raum nur etwa 350 t.

Als Grundlage für den mengenmäßigen Nachschub von Munition war je Waffe eine erste Munitionsausstattung festgelegt. Sie bestand aus einer bestimmten Anzahl von Schuß bezw. Granaten und war im allgemeinen jene Menge, die die kämpfende Truppe in ihren Gefechts- oder Nachschubfahrzeugen selbst mitführen konnte. Im Verlauf des Krieges wurde bei verschiedenen Waffen die Höhe der ersten Munitionsausstattung geändert. Eine Übersicht über die zahlen- und gewichtsmäßige Höhe einer ersten Munitionsausstat-tung stellt ANLAGE 5 dar.

Die Division verfügte als erste Einheit über einen größeren Transportraum in eigenen Nachschubkolonnen. Sie war daher in der Lage, Versorgungsgüter wenn nötig schwer-punktmäßig zu transportieren. Die Division war auch die unterste Führungseinheit, die Munitionsverbrauch und Munitionsbestand je nach Bedarf oder zu befohlenen Terminen zu melden hatte (ANLAGE 6).

Die Munitionsergänzung erfolgte nach den Bestimmungen der H.Dv. 90, Versorgung des Feldheeres, Teil I offen, Teil II geheim. Danach hatte die Truppe täglich (nach jeweils befohlener Uhrzeit, meist gegen Abend) ihren Munitionsbestand in Schußzahlen zu mel-den. Die Division erstattete eine zusammenfassende Munitionsbestandsmeldung jedoch in Tonnen. (ANLAGE 6a) Das Korps stellte eine Munitionsanforderung in Tonnen so zusam-men, daß aus dieser Bestand, Verschuß und Bedarf hervorgingen. Das Armeeoberkom-mando ergänzte auf Grund solcher Anforderung die erste Munitionsausstattung der Divisi-onen bzw. teilte aus den Beständen anteilmäßig zu, wenn eine Ergänzung bis zur Höhe der ersten Munitionsausstattung nicht möglich war. In der Regel war man bemüht, Divisi-onen, die im Schwergewichtsraum des Angriffes oder in Brennpunkten der Verteidigung eingesetzt waren, voll mit Munition zu versorgen.

Für die Erfüllung dieser Aufgabe verfügte die Division über einen 2. Generalstabsoffizier, den Ib, der die Verantwortung für die Versorgungsführung im Gefecht, also im taktischen Rahmen, trug.

Der Generalquartiermeister des Heeres selbst verfügte auch über eigene Einheiten der Nachschubtruppe, die er besonders für einen raschen Nachschub für von der Truppe dringend benötigter Güter, in den meisten Fällen Munition, einsetzen konnte. Ein eigener Teil davon war der Großtransportraum, der erst im Laufe des Krieges aus den Kraft-fahrabteilungen des Friedensheeres gebildet und zu Kraftfahrtransportregimentern zusam-mengefaßt wurde. Im Frankreichfeldzug bestand bereits drei Kraftwagentransportregi-menter mit einer Gesamttonnage von 19.500 t. Der Großtransportraum erreichte die be-achtliche Stärke von 80.000 t im Jahre 1943. Für die truppendienstlichen Belange dieser Einheiten stand dem Generalquartiermeister der zu seinem Stab gehörende General der Nachschubtruppe zur Verfügung.3)

Es seien noch einige Worte über den Gang des Munitionsnachschubs (ANLAGE 7) und die oft sehr ungewissen Zuführungszeiten gesagt, die der Generalquartiermeister beim Nach-schub ins Kalkül ziehen mußte. Mit wieviel Risiken, beim Eisenbahn- wie LKW-Transport gerechnet werden mußte, einerseits feindliche Lufteinwirkung auf die Straßen und Bahn-strecken in Deutschland, andererseits durch Bandeneinwirkungen hervorgerufene Unter-brechungen der Transporte im rückwärtigen Gebiet der Front, hat Oberst i.G. Hermann Teske in mehrfachen Publikationen über das Transportwesen im 2. Weltkrieg dargelegt.4) Die Transportleistungen auf Straße oder Schienen bei manchen Operationen auch in der Luft und auf dem Wasser, waren oft bewunderungswürdig. Sie waren die Voraussetzung, der Front die nötigen Kräfte, das Material und die Munition dorthin zuzuführen, wo sie dringend nötig waren. Mit fortschreitenden Kriegsjahren und den leider oft bösen Erfah-rungen, die die Front infolge Fehlens eines ausreichenden Nachschubs machen mußte, wurde auch die Nachschub- und Versorgungstätigkeit allmählich in ihrer Wichtigkeit ge-würdigt.

"Daß schloß nicht aus, daß noch immer aussichtsreiche Kampfhandlungen, ja Feldzüge an dem fehlenden Nachschub scheiterten, nur zögernd zog man die Folgerungen. Das kam schon darin zum Ausdruck, daß in den hohen Stäben in vielen Fällen die Sachbearbeiter für Nachschubfragen geringer als die taktischen Führungsgehilfen eingeschätzt wurden. Nachschub ist ebenso wichtig wie die Taktik!" 5)

Wie gering man in der deutschen Wehrmacht nach zu Beginn des Rußlandfeldzuges die Versorgungstätigkeit einschätzte, geht daraus hervor, daß bis Herbst 1942 die Versor-gungsführung der Heeresgruppe im Osten dem Generalquartiermeister persönlich oblag. Er konnte beim Heeresgruppenstab lediglich eine informatorische OKH/GenQu. Stelle als Ib der Heeresgruppe unterhalten, die mit einem jungen Hauptmann i.G. besetzt war. An der Ostfront wurde diese "vorgeschobene Hand" des Generalquartiermeisters bei der Heeres-gruppe ab 21.6.1941 als Außenstelle OKH/GenQu. unter der Leitung eines Oberstleutnants i.G. eingerichtet. Erst die Armeen hatten eigene Quartiermeisterstäbe für die Versorungs-führung.

Es ist einleuchtend, daß eine solche Organisation bei den weitreichenden Operationen im Osten den "Arm des Generalquartiermeisters" als nicht ausreichend empfand. Aus den Erfahrungen des Praxis heraus wurden nun eigene versorgungsführende Oberquartiermeis-ter, nach dem Stellenbesetzungsplan Generalmajore, im Heeresgruppenstab gebildet.

Hier muß auch festgestellt werden, daß die oberste Führungsstelle des deutschen Hee-res, das Oberkommando der Wehrmacht selbst über keinen versorungsführenden General-quartiermeister verfügte. In seiner Organisation war nur eine Quartiermeisterstelle, ähn-lich dem Ib der Heeresgruppe im Osten 1941/42 mit nur informatorischer Aufgabe vorge-sehen. Die Generalquartiermeister der drei Wehrmachtsteile, Heer-Marine-Luftwaffe, führ-ten selbstständig und nebeneinander ihre Versorgung. Schon Ende 1941 forderte der da-malige Major i.G. Toppe, der spätere Generquartiermeister des Heeres als Nachfolger von General der Artillerie Wagner, in einer Denkschrift über die Erfahrungen im Frankreich-Feldzug auf dem Versor-gungssektor die Schaffung eines Generalquartiermeisters der Wehrmacht. Daß das Oberkommando der Wehrmacht auch später auf Grund neuerlicher Vorschläge nicht den Entschluß zu dieser zwingenden Lösung fand, war einerseits in der bekannten Rivalität der Wehrmachtsteile, zum anderen in der Abneigung Hitlers gegen den Generalstab, von dem ja diser Vorschlag stammte, begründet. Kurz vor Ende des 2. Weltkrieges bei der Schaffung einer OKW-Führungsstelle Süd und Nord und der dadurch bedingten Ausschaltung des OKH, mußte eine Führungsstelle für die Versorgung geschaf-fen werden. Am 26. April 1945 wurde somit der Generalquartiermeister des Heeres laut einem heute in der Hand der Engländer befindlichen, von Hitler gezeichneten Dokument, mit seinem Stab OKW-Dienststelle: Generalquartiermeister der Wehrmacht. Vom 26. April 1945 bis 9. Mai 1945 hatte also auch im deutschen Heer die Versorgung zentral in einer Hand gelegen, und es ist kriegsgeschichtliche Wahrheit, wenn sie sich auch wie eine Iro-nie des Schicksals anhört, daß derjenige Generalstabsoffizier, der zu Beginn des 2. Welt-krieges die Schaffung eines zentralversorgungsführenden Wehrmacht-Generalquartier-meister forderte, als letzter Generalquartiermeister des Heeres auch tatsächlich, wenn auch nur für die letzten 14 Kriegstage, Generalquartiermeister der Wehrmacht wurde.6)

Die deutsche Rüstung und Kriegsproduktion bis 1941II. Der Munitionsverbrauch im operativen Rahmen