I. EinführungDer Polenfeldzug 1939
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
II. Der Munitionsverbrauch im operativen Rahmen
Beurteilung der Versorgungslage mit Munition vor Beginn des
2. Weltkrieges Ende August 1938

Am Vorabend des 2. Weltkrieges haben die für die Beurteilung von Waffen und Munition für den Kriegsfall verantwortlichen Stellen des Heereswaffenamtes einen Vergleich der Mobilmachung-Nachschuberzeugung mit den Höchstleistungen des 1. Weltkrieges ange-stellt. Diese Untersuchung, vom damaligen Leiter des Heereswaffenamtes General der Artillerie Dr. Ing. Becker gezeichent, hat zunächst ein "starkes Mißverhältnis" zwischen der im Munitionserzeugungsplan geforderten Mengen für den Mobilmachungsfall und den im 1. Weltkrieg erzeugten Munitionsmengen festgestellt. Weiters wurde aber festgestellt, daß sich die Waffen- und Fertigungstechnik seit dem 1. Weltkrieg so grundlegend verän-dert habe, daß eine zuverlässige Vergleichsbasis der industriellen Leistungsfähigkeit nicht mehr gefunden werden könne. Die höheren Anforderungen bei den modernen Waffen hin-sichtlich Schußweite, Treffgenauigkeit, Feuergeschwindigkeit, Beweglichkeit und Haltbar-keit seien eben nur durch eine verfeinerte mechanische Ausführung und Verwendung hochwertigen Materials erreichbar. Größere Schußweite verlangte größere Menge und bessere Qualität des Pulvers, größere Geschoßwirkung besseres Material und höherwer-tige Sprengstoffe. Die modernen Waffen seien eben in ihrer Leistungsfähigkeit de-nen des 1. Weltkrieges überlegen und kaum mit ihnen vergleichbar.

Hierzu käme noch, daß im 1. Weltkrieg mit Ausnahme eines ganz geringen Prozentsatzes für Luftwaffe und Marine die gesamte industrielle Kapazität auf dem Waffen- und Muniti-onsgebiet für das Heer zur Verfügung stand, während heute die Flak- und Bombenferti-gung einen gewaltigen Anteil von der Gesamtkapazität der Munitionserzeugung für sich beanspruche. Dies treffe in einem analogen Verhältnis mit geringem Umfang auch bei der Marinemunition zu.

Im Ganzen gesehen seien in einem zukünftigen Krieg unter Berücksichtigung der größe-ren Vielfältigkeit und höheren Qualität der Waffen und Munition und im Hinblick auf die Umstellung eines großen Teiles der Industrie auf die inzwischen neu hinzugekommenen Motorisierungs-, Panzer- und Flugzeugprogramme nicht geringere, sondern erheblich hö-here Leistungen als im 1. Weltkrieg zu erwarten. Hierbei sei noch zu berücksichtigen, daß auf Grund der umfangreichen rüstungswirtschaftlichen Mobilmachungsvorbereitungen die Höchstleistung schon jetzt und nicht wie während des Weltkrieges erst nach 3 Jahren erreicht werden könne. Es sei auch anzunehmen, daß diese Fertigungskapazität gehalten werden würde.

Weiter sei zu berücksichtigen, daß auf Grund der getroffenen Mobilmachungsvorbereitun-gen innerhalb einzelner Kalibergruppen besonders auf dem Munitionssektor Austausch-möglichkeit bestünde, und eine Schwerpunktverlagerung, wie beispielsweise eine Steige-rung der Fertigung von lFH-Munition zu Lasten der 8.8 cm Flakmunition, möglich sei. Die Erzeugung im Mobilmachungsfall könne so bei den einzelnen Kalibern in verhältnismäßig kurzer Zeit allerdings zu Lasten anderer Kaliber gesteigert wurden.

Trotz dieser Feststellung müsse – in erster Line auf dem Munitionsgebiet – auch weiterhin die Steigerung der Mobilmachungskapazität mit allen Mitteln vorwärtsgetrieben werden, da im Zukunftskrieg ein wesentlich höherer Munitionsverbrauch infolge neuer Waf-fen, Automatisierung, Steigerung der Feuergeschwindigkeit, aber auch durch größere Ausfälle infolge Feindeinwirkung als im 1. Weltkrieg zu erwarten sei.

Es müsse daher mit aller Dringlichkeit gefordert werden:
1. Sofortige Inkraftsetzung des Munitionserzeugungsplanes.
2. Weitere Beschleunigung des Pulver- und Sprengstoff-Schnellplanes.
3. Größtmögliche Bevorratung an Munition.1)

Das Kriegstagebuch Halder verzeichnet am 29.9.1939 einen Bericht von Generalmajor Thomas, Chef der Amtsgruppe Wehrwirtschaft im OKW, daß die Forderungen der drei Wehrmachtsteile auf dem Munitions- und Waffensektor weit über das hinausgingen, was die deutsche Industrie zu leisten imstande sei. Der Oberbefehlshaber des Heeres müsse auch auf wirtschaftlichem Gebiet, und nicht nur militärisch und politische Forderungen stellen.

Das Heereswaffenamt regte in der Notiz für den Vortrag beim Oberbefehlshaber des Hee-res an, den militärischen Führungsstellen laufend einen Überblick über dem Rüstungsstand und seine voraussichtliche Weiterentwicklung als Unterlage für eine Beurteilung der ope-rativen Möglichkeit der weiteren Kriegsführung zu geben.2) Dabei wurde unter "Zweck" einleitend hervorgehoben, daß der materielle Rüstungsstand sowie die rüstungswirt-schaftlichen Planungen und Möglichkeiten im Kriege infolge wechselnden Verbrauches, Schwerpunktverlagerungen, Veränderungen der Rohstoffkontingente, unvorhergesehene Schwerigkeiten in der Fertigung, Produktionsausfall durch Feindeinwirkung usw. stärkeren Schwankungen unterworfen seien als im Frieden. Für die Rüstung ergebe ein solcher Überblick gleichzeitig die Möglichkeit, die Entwicklung der Rüstungslage auf den wichtigs-ten Gebieten laufend zu beobachten und die Rüstungsplanungen vorausschauend den tatsächlichen Erfordernissen des Krieges anzupassen.3)

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