VII. FolgerungenNachwort
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
VII. Folgerungen
Zur Frage der Höhe einer Feldausstattung

Die Gegenüebrstellung der Höhe der Feldausstattung des Österreichischen Bundesheeres mit der der Deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg9) hat gezeigt, daß für verschiedene Waffen diese bei uns zahlenmäßig am Höchsten liegt. Es wurde schon festgestellt, daß auch im 2. Weltkrieg die erste Munitionsausstattung niemals nur für einen Kampftag vor-gesehen war und daß sie tatsächlich selbst im Großkampf in einer Kampfeinheit gemisch-ter Waffen (z.B. Division) niemals voll verbraucht wurde.10)

Auch der Russe hat im 2. Weltkrieg mit einem Verbrauch gerechnet, der nur bei den klein-kalibrigen 7.62 cm Geschützen an einem mittleren Kampftag die Zahlen einer deutschen ersten Munitionsausstattung erreicht hat. Je größer die Kaliber, desto niedriger war der Anteil im täglichen Verschuß, z.B. 12.2 cm = 3/4 Kampfsatz, 15.2 cm = 1/3 bis 1/2 Kampfsatz.

Die nachstehende Tabelle gibt AUfschluß, um wieviel Schuß die Feldausstattung in unse-rem Bundesheer je Waffe höher liegt, als bei der Deutschen Wehrmacht:

Waffe deutsche erste
MunAusstattung
Feldausstattung
Österr. Bundesheer
MG

3450

7200

= 2.09 mal so viel
Pistole

24

64

= 2.58
MPist

1536

420

= 0.28
FlaMG

1440

3600

= 2.5
mGrW

150

180

= 1.2
sGrW

150

120/126

= 0.82
Pak 7.5 cm

150

105

= 0.7
lFH

225

260

= 1.16
sFH

150

188

= 1.2
sFK

110

140

= 1.27

Eine Herabsetzung der Schußzahl läßt sich daher voll vertreten. Grundsätzlich muß aber die für einen Kampftag nötige Munitionsmenge bei der Waffe sein.

Der Vorteil kurzer Munitionkolonnen und einer geringeren Anzahl von Versorgungsfahrzeu-gen wird die Beweglichkeit der Truppe und deren Einsatzfähigkeit erhöhen. Ich glaube aber auch aus den Feststellungen der vorliegenden Arbeit die Begründung für die Behaup-tung zu finden, daß auch der Kampfwert der Truppe durch eine geringere Munitionsaus-stattung infolge der eintretenden größeren Wendigkeit gehoben werden kann. Die Kampf-truppe hat dann nicht so viel sie gewichts- und raummäßig behindernde Munition mitzu-führen.

Wie groß die Minderung der Munitionsanteile je Waffe oder in der Feuereinheit sein kann, die die Truppe im Einsatz mitführt, muß sich im Einzelfall aus organisatorischen Überlegun-gen, der Möglichkeit des Mitführens der Munition bei der Waffe und der raum- und ge-wichtsmäßigen Ladefähigkeit von Munitionsfahrzeugen – unter Berücksichtigung einer anteilmäßigen Munitionssortierung in Übereinstimmung mit den jeweiligen Packgefäßen – ergeben. Hier kann daher im Detail auf diese Frage nicht eingegangen werden.

Wenn wir aber auf der einen Seite die Kampftruppe entlasten wollen, so müssen wir uns gleichzeitig darüber klar sein, daß zur Erfüllung des Kampfauftrages Munition nötig ist, die der Truppe ein rasches Auffüllen und Ergänzen ihres Bestandes ermöglicht. Hier müssen wieder organisatorische Maßnahmen vorgesegen werden, die den Kampfaufgaben der Verbände des Österreichischen Bundesheeres voll gerecht werden und durch vorausbe-dachte und vorbereitete Maßnahmen im Ernstfall ohne jeden Verzug oder Anlaufschwie-rigkeiten erfolgen.

Der Munitionsverbrauch bei einem möglichen Einsatz des Österr. Bundesheeres

Wenn vorausgesetzt wird, daß eine Brigade des Österreichischen Bundesheeres in ihrer Stärke und Kampfführung am ehesten mit einer deutschen Division der beiden letzten Jahre des 2. Weltkrieges zu vergleichen ist und auch Ausrüstung und Ausbildungsstand der Truppe im Bezug auf Feuerdisziplin und Schießfertigkeit auf einer vergleichsfähigen Ebene liegen, so ist festzustellen, daß sich ein möglicher Einsatz der Verbände des Bun-desheeres auch hauptsächlich in ähnlichen Kampfsituationen abspielen wird wie bei der deutschen Divsion 1944: Verteidigung, oft in sehr breiten oder geländemäßig schwieri-gen Abschnitten, hinhaltender Kampf gegen einen an Zahl und Feuerkraft überlegenen Gegner und Gegenangriff mit begrenzten Zielen. Alle diese Kampfarten erfordern viel Munition, denn verteidigen heißt schießen ! Weiters muß noch bedacht werden, daß fast alle Verbände des Bundesheeres schon in den ersten Tagen einer sich gegen Österreich richtenden Feindaktion im Kampf stehen, also Munition verbrauchen werden und nur we-nige Einheiten bleiben ohne Feindberührung. Die auf Seite 30 angeführten Erfahrungswer-te ergeben daher, daß selbst unter Einbeziehung eines ausreichenden Sicherheitsfaktors mit einem maximalen Tagesdurchschnittsverbrauch von 1/2 Feldausstattung zu rechnen ist.

Versorgungsführung durch Munitionsauslagerung

Diesen Umständen Rechnung tragend, muß also schon im Frieden vorgesorgt sein, daß genügende Munitionsmengen verfügbar und für einen raschen Nachschub an die Kampf-truppe greifbar sind. Ein Nachschub über längere Entfernungen aus zentralen Lagern ist aus Zeitgründen und wegen der möglichen Feindeinwirkung nicht günstig und kann zu Krisen führen. Ich halte daher eine Auslagerung von Munition in den Geländeabschnitten Österreichs für nötig, die sich als mögliche Kampfgebiete vorzeichnen. Dabei denke ich an eine unterirdische, jedenfalls aber getarnte Anlage von Munitionslagern, die verkehrsmäs-sig günstig liegen und gegen feindliche Lufteinwirkung und Sabotage gesichert sind. In solchen unter Einhaltung eines gewissen Sicherheitsabstandes von der Grenze – im Osten und Norden ca. 40 bis 50 km – über das ganze innere Gebiet unseres Staates nach einem System verteilter Munitionskavernen müssen sortierte Munitionspakete so niedergelegt sein, daß sie im Bedarfsfall praktisch von jeder Truppe übernommen werden können. Der 2. Weltkrieg hat uns in Bildung der "Handkoffer"11) weitgehende Erfahrungen in dieser Richtung an die Hand gegeben, die besonders im Verhältnis der Munitionsarten unterein-ander für die Erfüllung von Verteidigungsaufgaben für uns besonders von Nutzen sind. Diese Munitionslager werden in einem Zukunftskrieg für Kampfgruppen bis zur Brigadestär-ke, die auf sich alleingestellt selbstständige Kampfaufgaben zu erfüllen haben, entschei-dende Bedeutung erlangen. Munitionsverluste durch Feindeinwirkung werden dann, infolge einer gleichsam auf den notwendigen Handbedarf abgestellten Munitionsausstattung der Truppe und infolge der weiträumigen Verteilung gemischter Munitionslager, auf ein äus-serst geringes, stets erträgliches Maß beschränkt bleiben.

Auch für Panzerverbände, die gewichtsmäßig besonders hohen Munitionsnachschub benö-tigen und heute daher zu große, im Einsatz immer schon frühzeitig Befehle erfordernde Munitionskolonnen haben, ist eine analoge Lösung notwendig. Die Höhe der Feldausstat-tung muß auch auf die Dauerhaftigkeit der Rohre der Panzerkanonen abgestimmt sein und teilweise schon friendensmäßig so in den für einen Panzerkampf geeigneten, nicht allzu zahlreichen, Gegenden Österreichs ausgelagert sein, daß die Munition für die Truppe im Einsatzfall jederzeit griffbereit ist.

So ist die Truppe in der Lage, sich in den ersten Kampftagen selbst zu versorgen, ohne von vornherein mit zu großen Munitionsmengen belastet zu sein. Inzwischen kann auch von der Führung der Feldtruppen aus zentralen Munitionslagern ein weiterer Munitions-nachschub in die Schwergewichtsräume der Kämpfe mit Heereskolonnen durchgeführt werden.12) Diese wird in einer Nacht wahrscheinlich nur bis in die Troßräume vorgebracht werden können und erst in der zweiten Nacht bei der Waffe eintreffen. Es muß also mit einem Zweitagerhytmus als Minimum einer Munitionsversorgung aus Zentrallagern gerech-net werden, was in Ausnahmefällen, z.B. bei Artilleriemunition ohne Zwischenumschlag beim Troß vielleicht abgekürzt werden kann.

Munitionsaufbringung und Munitionsbevorratung

Bei diesen Überlegungen über die Lage auf dem Munitionssektor für einen möglichen Ein-satzfall des Österreichischen Bundesheeres darf nicht unbeachtet bleiben, daß Österreich über keine eigene Munitionsfabrik verfügt, wenn die geringe und bei einem Osteinsatz zweifellos ausfallende Erzeugung von Infanteriemunition in Enzesfeld unberücksichtigt ge-lassen wird.

Es ist daher eine unbedingte Notwendigkeit, solche Mengen aller Arten von Munition schon friedensmäßig im Lande niederzulegen, die eine längere Kampfzeit in der Abwehr mit den Verbänden des Österreichischen Bundesheeres sichern. Wie müssen uns darüber klar sein, daß eine Hilfe von außen, falls sie militärisch gegen Österreich angreifenden Feind von irgendeiner Seite her gegeben wird, Zeit braucht und erst nach Ablauf vieler Tage, ja vielleicht erst nach Wochen wirksam werden kann. Mit den Anlaufen einer eigenen Pro-duktion für Munition, die bisher in Österreich nicht gefertigt wurde, ist wohl wegen Schwierigkeiten einer industriel-len Umstellung nicht zu rechnen. Daraus folgt zwin-gend, daß das Bundesheer über Munitionsvorräte verfügen muß, die es in die La-ge versetzten, etwa einen Monat mit vorhandenem Munitionbestand zu kämpfen. Ich sehe hier-für mengenmäßig 15 Feldausstattungen aller Munitionssorten als unterste Grenze an, die nach Möglichkeit für Steilfeuer auf 20 Feldausstattungen gebracht werden sollte. Ein Weniger würde schon in den ersten Kampftagen Einschränkungen des Muniti-onsverbrauches nötig machen, was zweifellos eine schwere psychologische Belastung der kämpfenden Truppe bedeuten würde. Auch die deutsche Heeresführung hat im 2. Welt-krieg, wenn es irgend möglich war, größere Munitionsvorräte bei den Heeresgruppen oder Armeen für eine rasche Zuführung an die Kampftruppe bereitgelegt.13)

Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß der Munitionsverbrauch im allgemei-nen kein Schema verträgt. Das Vorausbestimmen eines Verschusses ist nicht möglich. Grundsätzlich sind Panzer- und vollmotorisierte Verbände infolge ihrer Beweg-lichkeit für das Mitführen von Munition gegenüber Infanteriever-bänden im Vorteil. Auch im Zukunftskrieg werden die Grundsätze der Beweglichkeit und der Feuerkraft, aber auch Feuerdisziplin und psychische Kampfkraft der Truppe letzten Endes den militärischen Er-folg bringen. Ausbildung, Vorsorgen und zweckmäßige Munitionsausstattung müssen da-her Voraussetzungen bleiben, das Österreichische Bundesheer in die Lage zu setzen, je-dem Gegner die Verletzung unseres Staatsgebietes zu verwehren und die Freiheit Öster-reichs zu garantieren.

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