VI. Beispiele eines auswertenden VergleichesVII. Folgerungen
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
VII. Folgerungen

Ne perdons rien du passé
ce n'est qu'avec le passé
qu'on fait l'avenir

Anatole France

Die Erfahrungen der Vergangenheit
sollten die Wegweiser für die
Zukunft sein.

Erkenntnise des 2. Weltkrieges

Im historischen Teil der vorliegenden Arbeit wurde durch Zahlenmaterial und an Hand von Beispielen gezeigt, wie hoch der Munitionsverbrauch der Truppen des deutschen Heeres im 2. Weltkrieg war. Diese realen Zahlen geben uns wohl Aufschluß über historische Ver-hältnisse, sie sind aber mit dem großem Nachteil behaftet, daß der Munitionsverbrauch im 2. Weltkrieg nie allein bedarfsbedingt, sondern in erster Linie vorratsbedingt war und von den Erzeugungs- und Liefermöglichkeiten der deutschen Industrie abhing. Ein sicherer Schuß, ob mit den vorhandenen Mengen das Auslangen hätte gefunden werden können, ist daher nicht zu treffen.

Aus den Verschußzahlen können wir die grundlegende Feststellung machen, daß der Mu-nitionsverbrauch im Angriff gegen einen vorbereiteten Gegner bei den meisten Munitions-arten annähernd dieselbe Höhe erreicht, wie in der Verteidigung,1) wo lediglich der Ver-schuß an Infanteriemunition höher ist. Das Verhältnis im Verschuß der Flachfeuerwaffen zu jenem der Steilfeuerwaffen lag durchschnittlich im Angriff bei 1 : 5, gemessen an Mu-nitionsausstattungen und erreichte in der Verteidigung auf Seite des Flachfeuers meist höhere Werte. Bei Einbeziehung von Panzerabwehr- und KwK-Munition als Flachfeuer kann die Verhältniszahl im Angriff mit 2 : 5 errechnet werden.2) FlaMunition, als Munition mit dem zweckbestimmten Einsatz gegen Luftziele, ist in diesen Verhältnissen nicht be-rücksichtigt. Gewichtsmäßig überwiegt selbstverständlich die großkalbrige Munition um ein Vielfaches den Anteil der kleinen Kaliber.3)

Reichweite einer ersten Munitionsausstattung

Die pro Waffe vorgesehene Munitionszahl, die als eine erste Munitionsausstattung bei der Truppe mitgeführt wurde,4) sollte bei Eintritt in den Kampf solange bedarfsdeckend sein, bis es möglich wäre der Truppe neue Munition aus vorbereiteten Lagern oder aus dem Nachschub freizugeben und zuzuführen. Eine erste Munitionsausstattung hat daher selbst im Großkampf immer länger als einen Tag aus-gereicht.5)

Umsatzrhytmus

Eine Ziffer, wie oft sich eine bestimmte Munitionssorte oder auch eine erste Munitions-ausstattung im Kampf in den einzelnen Kampfarten umsetzt, kann aus den vorhandenen Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden. Insbesondere in der Abwehr oder bei einem vorbereiteten Angriff gegen befestigte Stellungen kann die Umsatzziffer so niedrig sein, daß ein frontnaher Munitionsvorrat zur raschen Nährung des Kampfes vorhanden sein muß. Normalerweise wird ein 2 bis 3 tägiger Nachschubrhytmus dem Umsatz der ein-zelnen Munitionsarten gerecht werden.

Zusammenfassend muß gesagt werden, daß sich ein Verschuß nicht vorausbestimmen läßt, und daß in jedem Einzelfall daher Maßnahmen zu einer Regelung getroffen werden müssen.

Beurteilung der Möglichkeit und vorausschauende Planung

Die Untersuchungen haben auch gezeigt, daß bei nüchterner Betrachtung der jeweiligen Lage nicht nur die deutsche Führung oftmals mangelnde Voraussicht an den Tag gelegt, sondern daß Gleiches auch bei anderen Heeren zu schweren Krisenlagen geführt hat.6) Zumindest vor neuen Abschnitten der Kriegsführung hätte eine Beurteilung der Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung der für eine geplante Operation vorgesehenen Truppe erfol-gen müssen.

Der deutsche Generalstab hat grundsätzlich vor Beginn geplanter Operationen Studien oder Denkschriften ausgearbeitet, die sich mit der Beurteilung von Möglichkeiten und Fra-gen der Durchführung befaßt haben. Wenn, wie im Beispiel des West- oder Norwegenfeld-zuges gezeigt, das "Nicht möglich" des Generalstabes dann doch ein "Möglich" in der Durchführung brachte, ist das kein Beweis dafür, daß die politische Führung die Verhält-nisse besser übersah. Dies darf keinesfalls zu der Folgerung führen, die vorausschauende, planende und Voraussetzungen schaffende Arbeit des Generalstabes sei abzulehnen. Heute, nach Kenntnis aller Faktoren, ist es leicht, die Frage nach der genügenden Kraft und Ausrüstung der deutschen Wehrmacht für die Erfüllung der von ihr im 2. Weltkrieg geforderten Aufgaben zu verneinen.

Auch der Mangel an Mitteln beschwor immer wieder Krisenlagen auf dem Munitions- und Nachschubsektor im 2. Weltkrieg herauf, die durch die Improvisationsfähigkeit der verant-wortlichen Kommandostellen gemeistert werden mußten. So überschritten diese materiel-len Schwierigkeiten vor allem während des Rußlandfeldzuges oft jed. erträgliche Maß. Selbst die größte Tapferkeit und Einsatzbereitschaft des deutschen Soldaten konnte dort, wo es an Waffen und Munition fehlte,7) den Erfolg nicht erringen und mancher von deutschen Truppen bis zur letzten Patrone verteidigte Frontabschnitt fiel dann in die Hände des Gegners. Die Erfahrungen und Beispiele aus dem 2. Weltkrieg haben uns vielfach gezeigt, daß mit mehr verfügbarer Munition sicher auch ein größerer Er-folg, gerade in der Abwehr, erreicht worden wäre.

Mögliche Folgerungen für das Österreichische Bundesheer

Als Abschluß diese Studie sollen die im 2. Weltkrieg auf dem Gebiet des Munitionsverbrau-ches gemachten Erfahrungen in ein annäherndes Verhältnis zu den Bedürfnissen unseres Österreichischen Bundesheeres gebracht und einige Gedanken und Erkenntnisse heraus-gestellt werden, die für den weiteren Aufbau des Heeres von Nutzen sein können.

Die Neutralität Österreichs fordert ein Heer, das die Souveränität des Staates, das Staatsgebiet und das Staatsvolk vor unberechtigten Angriffen, sei es von außen oder von innen, zu schützen hat und in dieser Aufgabe von allen dem Staat verfügbaren Kräf-ten unterstützt werden soll. Das Österreichische Bundesheer wird daher aller Voraussicht nach nie militärische Aufgaben außerhalb der Landesgrenzen Österreichs zu erfüllen ha-ben, sein Operationsgebiet beschränkt sich auf den Raum innerhalb der heutigen Grenzen des Landes. Es ist keine Notwendigkeit gegeben, den Aufbau von Versorgungsbasen für eine kämpfende Truppe in Feindesland zu planen.8) Alle Vorbereitungen für einen Einsatz-fall des Bundesheeres sind daher nur im eigenen Land zu treffen.

Munitionsmengen und ihre Auswirkung auf die Beweglichkeit der Truppe

Die Vollmotorisierung unserer Brigaden und Heeresverbände erlaubt ihre rasche Verschieb-barkeit. Der Motor hat die Beweglichkeit der Truppen einerseits sehr erhöht, andererseits aber die meist straßengebundenen Kolonnen für eine feindliche Lufteinwirkung anfällig ge-macht. Die hohe Ausstattung der Kampfverbände mit Verbrauchsgütern hat zu einer ab-normen Vergrößerung der Troß- und Versorgungskolonnen geführt. Die große Zahl benö-tigter Kraftfahrzeuge ist daher für die Beweglichkeit der Truppe innerhalb den engen Grenzen unseres Landes kein Vorteil mehr. Es wird kaum möglich sein, einen Verband in Brigadestärke mit seinem rund 1.200 Kraftfahrzeugen wegen der Länge der Kolonnen und ihrer Durchlauf-dauer in einer Nacht geschlossen aus einem Einsatzraum in einen anderen zu verlegen. Eine Trennung von Kampf- und Versorgungsteilen wird daher unter Berück-sichtigung einer feindlichen Luftüberlegenheit, mit der wir in Österreich zweifellos in jedem Falle zu rechnen haben, das Normale sein. Was nützen uns aber Versorgungskolonnen, vor allem mit Munition beladen, wenn der Feind durch seine Luftwaffe die Möglichkeit hat, zu verhindern, daß die Versorgungsgüter – vor allem wieder die Munition – rechtzeitig dort sein können, wo sie gebraucht werden ? Bei der Möglichkeit des Einsatzes atomarer Waffen in einem Zukunftskrieg müssen wir außerdem bedenken, daß eine in unseren österreichischen Gebirgsgegenden Straßen- und wegebedingte Massierung von Fahrzeu-gen, die der Versorgung der kämpfenden Truppe diesen sollen, auch ein durchaus lohnen-des Atomziel darstellen werden.

VI. Beispiele eines auswertenden VergleichesVII. Folgerungen