V. Der MunitionsverbrauchDie ersten Munitionsausstattungen bei verschiedenen Heeren
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
VI. Beispiele eines auswertenden Vergleiches
Gegenüberstellung des Munitionsverbrauches
der Artillerie im 2. Weltkrieg

Im allgemeinen gibt man sich bei taktischen Erwägungen viel zu wenig Rechenschaft da-rüber, wieviel Munition im Kampf verbraucht wird. Aus den Unterlagen über den Muniti-onsverbrauch der Artillerie im 2. Weltkrieg sei hier eine Munitionsart herausgegriffen, de-ren Verschuß bereits allein gewichtsmäßig einen der größten Faktoren für Ergänzung und Nachschub darstellt.

Vorerst ein Überblick im Großen: Die deutsche Wehrmacht hat 1943 25,517.550 Schuß lFH im Osten verfeuert (ANLAGE 17). Durchschnittlich standen 156 Infanteriedivisionen, 20 Panzerdivisionen und 10 mot. Divisionen, ohne die Verbände der Verbündeten in Ruß-land im Kampf. Es waren also 6.300 lFH-Geschütze (ANLAGE 5a) eingesetzt, für die sich je Rohr ein Durchschnittsverschuß von 4.050 Granaten ergibt. Setzen wir von dieser Zahl den Erfahrungswert von ca. 12 bis 15% für den Verschuß von Heeresartillerieeinheiten ab, so verbleibt auf deutscher Seite ein durchschnittlicher Verschuß von 3.500 lFH Gra-naten je eingesetztem Rohr im Jahre 1943.

Dasselbe für sFH berechnet, ergibt einen Durchschnittsverschuß von 3.000 Granaten jährlich pro Rohr, d.h. bei Abzug eines gleichen Prozentsatzes für die Heeresartillerie, von 2.600 sFH Granaten je Rohr im Jahre 1943.

Um auf eine Vergleichsbasis mit dem Gegner, der Roten Armee, zu kommmen müssen lFH und sFH zusammen betrachtet werden: 32 Mill. Granaten (ANLAGE 17) auf 8.450 Ge-schütze (ANLAGE 5a) ergibt einen Rohrdurchschnitt von 3.800 bzw. nach Abzug der Hee-resartillerie von durchschnittlich 3.300 Granaten je Rohr im Jahre 1943.

Die Rote Armee hat bei einem Bestand von rund 100.000 Geschützen (ANLAGE 28) und einem Jahresdurchschnittsverbrauch von 193.9 Mill. Granaten (ANLAGE 27) rund 1.940 Granaten je Geschütz im Jahre verschossen.1) Dabei wollen wir voraussetzen, daß das Verhältnis des Verschusses von Geschützen unter 10 cm auch im Verhältnis zur Rohrzahl dieser Geschütze analog ist und daß daher der gleiche Durchschnittswert beibehalten werden kann.

Aus diesen Betrachtungen läßt isch die zahlenmäßige Unterlegenheit der deutschen Artil-lerie im 2. Weltkrieg einwandfrei feststellen. Auf jedes deutsches Geschütz müssen 5 bis 6 russische Geschütze gerechnet werden. Aus den durchschnittlichen Verschußzahlen sehen wir aber, daß die deutschen Geschütze mehr geschossen haben als die russischen. Sie mußten mit höherem Munitionseinsatz das ausgleichen, was ihnen an Zahl fehlte. Auch damit konnte aber die Unterlegenheit allein nicht wettgemacht werden. Munitions-taktik und die besseren Schießverfahren setzten letzten Endes die deutsche Artillerie in die Lage, breitere Frontabschnitte zu decken und wesentlich größere Wirkungsräume als der Russe zu beherrschen.

Stellen wir die Zahlen der ersten Munitionsausstattungen der Artillerie der beiden gegne-rischen Heere gegenüber:

Rote Armee – Kampfsatz:

Deutsche Wehrmacht – 1. Ausstattung:

76 mm = 144 Schuß je Geschütz 75 mm lIG = 189 Schuß je Gesch.
107 mm = 114 Schuß 150 mm sIG = 107 Schuß
122 mm = 96 Schuß 105 mm lFH = 225 Schuß
152 mm = 48 Schuß 150 mm sFH = 150 Schuß
203 mm = 24 Schuß 210 mm Mörser = 75 Schuß
          240 mm Haub. = 39 Schuß2)

So fällt die zahlenmäßig wesentlich niedrigere Munitionsausstattung je Geschütz bei den Russen auf. Zweifellos erhöhte das ihre Beweglichkeit, hat aber auch besondere Nach-schubmaßnahmen erfordert, um immer rechtzeitig die nötigen Munitionsmengen verfügbar zu haben. Ich sehe hier auch einen der Gründe, die den oft spürbaren Munitionsmangel der Roten Armee, selbstverständlich gemeinsam mit einer unzureichenden Produktion, be-wirkt haben und den Russen zwangen, seine Artillerie nach besonderen Regeln einzuset-zen.3)

Hier muß ein weiterer Gedanke erörtert werden, der bei heutigen Kampfplanungen immer wieder überlegt wird: Wieviel Geschütze sind nötig, um einen bestimmten Frontabschnitt zu decken ? Die in dieser Arbeit angeführten Beispiele geben keine befriedigende Antwort in dieser Richtung. Wir haben aber immer wieder feststellen können, daß dort, wo ein durchschlagender Kampferfolg erzielt worden ist, Waffen- oder Munitionsüberlegenheit bestehen mußte, ein Grundsatz, den vor allem der Russe in großem Maße zur Anwendung gebracht hat.4) Die Waffenzahl im Verhältnis zur Frontbreite war aber nicht nur von den Geländeverhältnissen und der Kampfart, sondern von der Verfügbarkeit und noch anderen Komponenten abhängig, sodaß kein allgemein gültiges Kriterium gefunden werden kann. Den heutigen Kampferfordernissen entsprechend, werden in einem zukünftigen Krieg viel größere Frontbreiten als im 2. Weltkrieg üblich von Truppen gleicher Stärke gedeckt wer-den müssen. Die deutsche Infanteriedivision verfügte im 2. Weltkrieg über 36 lFH Ge-schütze. Die Erfahrung hat gezeigt, daß bei einer Abwehr an ruhiger Front 130 Schuß lFH pro Geschütz in 10 Tagen das Rohr verlassen haben. Bei einer Feldausstattung von 225 Schuß je Rohr war dies pro Tag 1/17 einer ersten Munitionsausstattung.

Nehmen wir an, die 18 leichten Feldhaubitzen einer österreichischen Infanteriebrigade würde bei gleicher Frontbreite und zur gleichen Aufgabe eingesetzt, so müßten sie dop-pelt so viel schießen, um beim Feind denselben Kampferfolg zu erreichen. Es würden also 260 Schuß in 10 Tagen das Rohr verlassen müssen, d.h. daß 1/10 der 260 Granaten je Rohr zählenden Feldausstattungen pro Tag verschossen werden.

Mit den gleichen Unterlagen können wir für die Abwehr eines Großangriffes errechnen, daß je Geschütz pro Tag nur 1/4 einer ersten Munitionsausstattung im 2. Weltkrieg, da-her höchstens 1/2 Feldausstattung der nur über die halbe Anzahl von Geschützen verfü-genden österreichischen Brigade verbraucht werden wird. In diesem Falle müßte also schon am 2. Kampftag eine Ergänzung der Munition durch den Nachschub sichergestellt sein.

Es ist sicher auch interessant, die im 2. Weltkrieg erreichten Munitionsverbrauchszahlen mit Vorschriften und Vorausberechnungen einzelner Armeen zu vergleichen.

Die deutsche AVA schrieb z.B. für das Niederkämpfen eines Zieles mindestens 240 Schuß lFH oder 160 Schuß sFH je Batterie vor.5)

Die französische Armee hält heute einen Verschuß von 120 lFH oder 60 sFH Granaten nö-tig, um eine Fläche von 1 ha oder eine Strecke von 100 m für die Bewegung des Feindes auszuschalten. Um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen, muß aber ein solches Lähmungs-feuer 3 bis 8 mal je Stunde abgegeben werden. Als Vorbereitungsfeuer, um eine Bresche in eine Feindstellung zu schießen, sind auf 4.000 m Entfernung 400 lFH oder 250 sFH Gra-naten, auf 7.000 m Entfernung 700 lFH und auf 10.000 m Entfernung 600 sFH Granaten nötig. Als Unterstützungsfeuer für den Angriff werden auf eine Fläche von 4 bis 5 ha oder 900 m Front 320 lFH und 160 sFH Granaten je Abteilungsziel gerechnet, bezw. je Feuer-zusammenfassung als Feuerwalze auf 300 m Frontbreite für jeden Feuerüberfall der Ab-teilung. In der Verteidigung beträgt die Zahl der für die gleiche Frontbreite vorgesehenen Granaten 324 lFH bezw. 216 sFH für jeden Sperrfeuerraum der Abteilung.6)

Die US-Armee hat, auf Kores-Erfahrungen fußend, je Geschütz Verschußzahlen pro Stun-de festgelegt. Als Vorbereitungsfeuer werden 80 lFH oder 25 sFH je Geschütz angegeben. Für die Unterstützung des Angriffes sind 5ß lFH bezw. 25 sFH Granaten je Rohr (300 lFH, 150 sFH je Batterie) und in der Verteidigung die gleichen Schußzahlen vorgesehen.7)

Verschußzahlen, die die Rote Armee gegenwärtig plant, waren nicht zugänglich. Aus den Erfahrungswerten des im 2. Weltkrieg erreichten Munitionsverbrauches kann aber festge-stellt werden, daß sie ähnliche Werte aufzuweisen haben.8)

Nun noch ein Vergleich der Feldausstattungen der Artillerie mit lFH Munition:
Deutsche Wehrmacht: lFH Ausstattung    
 

je Rohr bei Waffe 126

insgesamt 225 Schuß
  Gewicht: 5.175 kg    
  Nachschubanteil: 99 je Battr. 900 Schuß
US Armee:   insgesamt 200 Schuß
    je Battr. 1200 Schuß
Franz. Armee:

Mun.Rate je Rohr 80

insgesamt 200 Schuß
  Gewicht: 4.600 kg    
  Nachschubanteil: 120 je Battr. 1200 Schuß
Rote Armee:

je Rohr

insgesamt 114 Schuß
    je Battr. 456 Schuß
Österr. Bundesheer:

Mun.Rate je Rohr 130

   
  Gewicht: 6.981,4 kg    
  Nachschubanteil: 130 je. Battr. 1560 Schuß

Die Übersicht zeigt, daß die Ausstattung der Artillerie des Österreichischen Bundesheeres munitionsmäßig zu hoch liegt. Die Ausstattung der Batterie mit 6 Geschützen erhöht wohl die Feuerwirkung, beansprucht aber für den Transport der Munition einen umfangreichen Transportraum, was die Beweglichkeit der Artillerie im Einsatz unter Berücksichtigung österr. Geländeverhältnisse beeinträchtigt, ihre Munitionsversorgung aber schier unlösbar werden läßt. Wir müssen in Österreich immer mit einer Kampfführung gegen überlegene Feindkräfte rechnen und daher genügend Munition für die Artillerie rasch zur Hand haben. Es werden daher vorausschauende Maßnahmen der Führung nötig sein, eine zeitgerechte Munitionsbevorratung in der Verteidigung vorzubereiten, oder eine kurzfristige Zuführung oder Abholung von Munitionsmengen bei anderen Kampfarten im eigenen Land sicherzu-stellen.

V. Der MunitionsverbrauchDie ersten Munitionsausstattungen bei verschiedenen Heeren