RußlandEngland und Frankreich
Der Munitionsverbrauch im 2. Weltrkieg
V. Der Munitionsverbrauch bei den Gegnern Deutschlands
USA

Wenn man sich heute in der amerikanischen Literatur über den Munitionsverbrauch der im 2. Weltkrieg eingesetzten Truppen orientieren will, findet man ganz ähnliche Verhältnisse vor, wie auf deutscher Seite. Die bisher veröffentlichten, historisch mit dem Ablauf der Kämpfe befaßten Arbeiten und Bücher weisen kaum auswertbares Zahlenmaterial über einen Munitionsverbrauch auf. Selbst die bisher erschienen Bände des amerikanischen Generalstabswerkes über den 2. Weltkrieg20) zeigen im einzelnen mehr Problematik und Schweirigkeiten auf, die mit der Planung, Aufbringung, Vorratshaltung und Zuführung der Versorgungsgüter verbunden waren. Es werden wohl einzelne Gesamtzahlen von Muniti-onsmengen genannt, die an einem Tag oder in einem gewissen Zeitraum der Kampftruppe zugeführt worden sind. Dadurch soll meist nur die Leistung des Ordnance-Dienstes und der eingesetzten Nachschubtruppen aufgezeigt werden. Der Verbrauch an Munition durch einzelne Truppenteile oder ein festgestellter Verschuß bei bestimmten Kampfhandlungen ist nicht behandelt.

Es ist überraschend, welch gleichartige Erfahrungen die amerikanischen Invasionsarmeen 1944 auf dem europäischen Festland machten und wie auffallend die Verhältnisse des Jahres 1944 bei den Amerikanern im Wester denen des Jahres 1941 der deutschen Trup-pen im Osten gleichen.

Unzureichender Seetransportraum und zunächst unzureichende Landtransportmittel ha-ben, gleich nachdem die 36 an der Invasion beteiligten Divisionen21) auf dem europäi-schen Festland Fuß gefaßt haben, eine Munitionsrationierung notwendig gemacht. Die Kommandeure der 1. und 3. amerikanischen Armee, die zur 12. amerikanischen Heeres-gruppe gehörten, haben in jeweils 8 tägigen Informationen ihre Truppen über die Nach-schublage an Munition laufend unterrichtet. Die Bemühungen der amerikanischen Führung waren zunächst darauf gerichtet, ausreichende Munitions- und Nachschublager für die weiteren Operationen auf das europäische Festland zu bringen. Die Heeresgruppe wollte 7 erste Munitionsausstattungen hierzu in Reserve legen, was aber unzureichende Lager-möglichkeiten vereitelt haben. Die Armeen wiederum waren bemüht, mobile Munitionsvor-räte zu bilden. Hierzu waren eigene Munitionsbataillone und Transporteinheiten zusam-mengestellt. Im September 1944 erreichten diese Einheiten eine Gesamtstärke von rund 1.000 Lastkraftwagen.22) Die geringere als vorgesehene Munitionszuführung hat auch zu diesem Zeitpunkt noch immer Munitionseinschränkungen nötig gemacht. Der Munitions-verbrauch der 1. Amerikanischen Armee wird im Durchschnitt für den Monat August 1944 mit 100 t täglich angegeben.23) Für die schweren Waffen gibt das amerikanische General-stabswerk eine Übersicht des Gesamtverschusses in den Kampfhandlungen der Monate Juli und August 1944:

Waffentype Verschossene
Munitionsmenge
in Schuß
Geschützanzahl
im täglichen
Einsatz
Geschoßanzahl
je Geschütz
pro Tag
  Juli August Juli August Juli August
81 mm Sprenggranaten

60.990

16.507

774

546

2.5

1.3

4.2" GrWerfer

74.412

9.066

139

35

17.6

21.8

75 mm Kanonen

94.962

29.290

1000

770

3.35

1.42

75 mm Haubitzen

47.034

17.848

131

144

12.4

5.13

105 mm Haubitzen M 2

723.907

366.952

590

440

40.83

27.38

105 mm Haubitzen M 3

113.420

42.630

192

124

19.3

15.4

155 mm Kanonen M 12

14.096

14.030

37

25

12.4

17.8

155 mm Kanonen M 1

65.484

35.140

107

57

19.7

20.6

155 mm Haubitzen M 1

272.973

100.578

310

190

28.4

18.0

4.5" Kanonen

25.162

19.689

38

25

20.7

25.0

240 mm Haubitzen

2.624

2.084

14

23

6.2

7.5

8" Haubitzen

11.240

8.204

39

29

9.2

12.2

8" Kanonen

1.264

831

6

6

7.0

13.8

           

24)

Die Amerikaner beurteilten selbst diese Zahlen so, daß daraus die Munitionserfordernisse nicht genau bestimmt werden können, weil eben eine für einzelne Munitionsarten sogar sehr einschneidende Rationierung vorlag und die von der Truppe gewünschten Munitions-mengen nicht verfügbar waren. Der Munitionsmangel hat die Operationen zweifellos sehr verzögert. Einige Einheiten haben sogar ihr Notsoll an Munition verschossen. Das Fehlen von Artilleriemunition hat beim Gegenangriff auf Mortin (Frankreich) sogar dazu geführt, daß Feindverbände ungehindert nach Osten zurückgehen konnten.

Interessant ist eine Bemerkung des amerikanischen Generalstabswerkes, daß für den langanhaltenden Munitionsmangel der amerikanischen Invansionstruppen in Europa nicht nur das schwierige Nachschubproblem allein ausschlaggebend war, sondern daß dafür auch eine mangelnde Voraussicht des War-Department verantwortlich war, das infolge Unterschätzung des Munitionsverbrauches der schweren Kaliber diese nicht rechtzeitig in genügender Menge freigegeben hatte. Von der Truppe mußte daher eine Lieferverzöge-rung von 2 Monaten in Kauf genommen werden.25)

General Eisenhower hat wiederholt die Munitionsknappheit, ohne Zahlen zu nenen, für die Fortführung der Operationen als hemmend bezeichnet. Er hat auch den Wert der takti-schen und operativen Luftwaffe hervorgehoben, die in der Lage ist, ohne Umschlagstellen von Flugplätzen aus, die oft noch auf dem englischen Festland waren, ihre Bombenlast direkt in den Feind zu tragen und zur Entlastung der Landtruppen einzugreifen, wenn dies die Witterungsverhältnisse zuließen.26) Welchen Wert Eisenhower weiters auf eine volle und allen Anforderungen gewachsene Versorgung seiner Verbände legte, geht aus der Tatsache hervor, daß er seine Truppen 1944/45 an der Maas anhielt, weil seine Quartier-meister nicht genügende Mengen an Material und Munition über die schon über 500 km lange Nachschubstrecken von den Seehäfen her heranbringen konnte.27)

Unterlagen über Berechnungen des amerikanischen Generalstabs, die sich mit einem durchschnittlichen Munitionsverbrauch im 2. Weltkrieg beschäftigen und auch zu Normal-zahlen des Verschusses der einzelnen Waffen in bestimmten Kampfarten kommen, sind nicht zugänglich gewesen.

In den 15 Jahren, die seit Ende des 2. Weltkrieges vergangen sind, haben die USA ihre Truppen in den verschiedensten Teilen der Welt stehen gehabt. Die letzten Kriegserfah-rungen größeren Ausmaßes für die US-Armee wurden in Korea gesammelt. Das Ergebnis im Bezug auf die Ausstattung von Kampfeinheiten mit Munition, die Planung des Munitions-nachschubes je Waffe, ein voraussichtlicher auf durchschnittlichen Erfahrungswerten basierender Verschuß je Waffe auch mit Gewichtsangaben, sowie die vorgesehene Bela-dung der Kampffahrzeuge mit Munition ist in einem Handbuch für Stabsoffiziere FM 101-10 niedergelegt.

Eine dieser Tabellen, die den durchschnittlichen Verschuß je Waffe aufweist, sei auf der nächsten Seite angeführt.

Es sei auch noch erwähnt, daß eine Luftlandedivision des amerikanischen Heeres heute über 738 t Munition, eine Panzerdivision über 2.432 t und eine Infanteriedivision über 1.423 t Munition verfügt. Wir sehen also, wie groß die Mengen an Munition sind, die der moderne Kampf und die hohe Automation der Waffen nunmehr verlangen. Bei ihrer Beurteilung allerdings müssen wir bedenken, daß das amerikanische Organisations-prinzip davon ausgeht, daß die Truppe in einem fremden Land kämpft und durch weite Nachschub- und Versorgungswege gezwungen sein kann, gewisse Zeitabschnitte lang, sich ohne Munitionsergänzung behaupten zu müssen.

je Waffe

Angriff
gegen befest.
Stellungen

Geplanter
Angriff

Gegen-
angriff

Vorgescho-
bene Kräfte
und Deck-
ungstrup-
pen

Verteidigung

Hinhaltender
Kampf oder
Rückzug

 

1. Tag

folgen-
de Tage

1. Tag

folgen-
de Tage

 

 

1. Tag

folgen-
de Tage

 

Pist.

2

1

2

1

1

1

2

1

0.3

MP

35

20

35

20

20

20

40

25

15

Karabiner

6

3

6

3

5

4

8

6

3

StG

70

40

65

35

50

40

80

50

30

MG

170

100

160

90

120

100

200

120

70

FlaMG+)

50

30

50

30

35

30

60

35

20

Par

7

4

7

4

5

4

8

5

3

7,5 Pak

10

6

10

6

7

6

12

7

5

10,6 Pak

7

4

7

4

5

4

8

5

3

8 cm GrW

70

40

64

35

50

40

80

50

30

10,7 cm GrW

70

40

64

35

50

40

80

50

30

2 cm FlakMK

 

 

 

 

 

 

 

 

 

10,5 cm lFH

150

90

145

80

110

90

180

110

65

9 cm KwK

22

12

20

11

15

12

25

15

8

15,5 cm sFH

120

70

110

65

85

Ø

140

85

50

12 cm GrW

63

36

58

32

45

36

72

45

27

4 cm FlaMK

 

 

           

 

 

 

 

            28)

+) Bei eigener Luftüberlegenheit bzw. im Erdeinsatz, sonst dreifacher Mun.Verbrauch

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