Belehrungsblatt 9 (Ziffern 280 bis 283)Belehrungsblatt 9 (Ziffern 287 bis 293)Inhaltsverzeichnis
Belehrungsblatt über Beseitigung feindlicher Abwurfmunition
Ausgabe B - Blatt 9
Zusammen-
wirken der
Einzelteile
des engli-
schen Lang-
eitzünders
Nr. 17 (siehe Abb. 301
und 302)
284.

Da bei der Herstellung der Zeichnung 23 für das Beiheft 1 zur L.Dv. 764 im Sommer 1940 kein vollständiger und betriebsfähiger Langzeitzünder Nr. 17 zur Verfügung stand, sind bei den Zeichnungen und der Beschreibung eini-ge Fehler unterlaufen.

Nachfolgend wird eine Darstellung der Wirkungsweise nach dem augenblick-lichen Stand unserer Kenntnisse gegeben:

 

A. Vor dem Abwurf:

 

Hinterer Schlagbolzen ist durch Sicherungsschraube in hintere Lage festge-halten.

Hauptschlagbolzen durch Sicherungsstück und Sicherungskugeln hinten festgehalten; dabei ist Entsicherungsfeder gespannt.

Schlagbolzenfeder ist nicht gespannt, da Einbausicherungszylinder hinten.

Sicherungsgehäuse und Hauptschlagbolzengehäuse sind bis zu den An-schlagstiften miteinander verschraubt. Diese Verschraubung ist gegen un-beabsichtigtes Lösen während des Fluges oder zum Herausnehmen des Zünders aus einer nicht abgeworfenen Bombe durch die Einbausicherungs-hülse, die in 2 Nuten des Sicherungsgehäuses eingreift, festgelegt. Durch die beiden Fahnen der Einbausicherungs hülse werden die beiden Ausbau-sperrkugeln unter Zusammendrücken ihrer Schraubendruckfedern in ihrer gesicherten Ruhelage festgehalten. Das Fallgewicht liegt im hinteren Teil des Hauptschlagbolzengehäuses. Es ist durch 2 Schrauben mit der Einbau-sicherungshülse verschraubt.

Die entspannte Schlagbolzenfeder legt sich dabei gegen die vordere Wand des Spanngewichtes und hält dieses hinten fest.

  B.

Abwurf der Bombe.

  1.

Sicherungsklemme wird vom Windrad abgezogen.

  2.

Windrad dreht sich und schraubt über Kupplungsgabel die Sicherungs-schraube vom hinteren Schlagbolzen ab.

  3.

Aufschlag der Bombe am Ziel:

    a)

hinterer Schlagbolzen schlägt auf Stößel.

    b)

Glasampulle wird zertrümmert.

    c)

Stößel wird durch Aufweiten der kegeligen Bohrung luft- und was-serdicht vernietet. Dabei wird das Kupferkreuz mit vernietet und verbessert die Dichtung.

    d)

Spanngewicht fällt nach vorn und spannt die Schlagbolzenfeder. Es wird vorn aufgeweitet und festgehalten. Schlagbolzen wird durch Kugeln und Sicherungsstück hinten festgehalten.

    e)

Kugeln der Ausbausperre werden durch die infolge des Fallgewich-tes nach vorn rutschende Einbausicherungshülse freigegeben und durch die tangential wirkenden Schraubendruckfedern nach außen gedrückt.

   

Die unter e) beschriebenen Kugeln lagern sich hinter die hintere Kante des Zylinders und blockieren ihn vorn. Dadurch bleibt die Schlagbolzen-feder gespannt, falls das Spanngwicht nicht genügend aufgeweitet ist und vorn keinen Halt hat. Gleichzeitig wird dabei die starre Verbindung zum Sicherungsgehäuse und Hauptschlagbolzengehäuses gelöst.

  4.

Azeton weicht die Zelluloidplatte auf.

  5.

Entsicherungsfeder drückt das Sicherungsstück langsam in das aufge-weichte Zelluloid hinein.

  6.

Sicherungsstück ist nach Ablauf der eingestellten Zeit so weit in das Zelluloid eingedrungen und nach hinten ausgewichen, daß die Kugel-sperre gelöst und der Schlagbolzen freigegeben wird. Eingestellte Lauf-zeit wird nur eingehalten; wenn die Bombe senkrecht mit der Spitze nach unten steht oder bis zu 30° von der Senkrechten abweicht. Bei waagerecht liegender Bombe ergibt sich etwa 3- bis 4-fache Laufzeit. Bombenspitze schräg nach oben bedeutet 15- bis 20-fache Laufzeit, da nur Azetondämpfe auf das Zelluloid einwirken.

  7.

Freigegebener Schlagbolzen schlägt Zündhütchen an und bringt Bombe zur Detonation.

   

Wirkungsweise der Ausbausperre:

  8.

Sicherungsgehäuse und Hauptschlagbolzengehäuse sind nur lose mit-einander verschraubt. Feste Verschraubung wird durch Anschlagstifte verhindert. Während des Fluges wird ein unbeabsichtigtes Lösen der Schraubverbindung durch Einbausicherungshülse verhindert, die sich mit 2 Fahnen in 2 Nuten im Sicherungsgehäuse legt und so beide Teile starr verbindet.

  9.

Nach Auftreffen der Bombe am Ziel (siehe 3 d und e) wird starre Ver-bindung gelöst. Kugeln blockieren das Schlagbolzengehäuse im Zentral-rohr gegen Linksdrehung (ähnlich wie beim Fahrradfreilauf die Walzen).

  10.

Bei dem Versuch, den Zünder durch Linksdrehung an der hinteren Schlagbolzenhülse herauszudrehen, spielt sich folgendes ab:

Das Kupferkreuz ist mit dem Stößel zusammen am Stößelgehäuse fest-genietet. Da seine Arme jedoch in 4 Schlitzen der Schlagbolzenhülse liegen, ist die Schlagbolzenhülse starr mit dem Stößelgehäuse verbun-den und dieses macht die Drehung zwangsläufig mit.

Durch die beiden Montagefedern ist aber auch das Stößelgehäuse über das Ampullengehäuse wiederum mit dem Sicherungsgehäuse starr ver-bunden und so wird die Drehung auf dieses übertragen.

Da jedoch durch die Ausbausperrkugeln das Hauptschlagbolzengehäuse im Zentralrohr festgelegt ist, muß sich zwangsweise die durch die bei-den Anschlagstifte gewährleistete lose Verschraubung zwischen Haupt- schlagbolzengehäuse und Sicherungsgehäuse lösen.

Beim Losschrauben weicht die Zelluloidplatte nach hinten aus. Unter dem Druck der Sicherungsfeder folgt ihr das Sicherungsstück nach hin-ten. Dadurch können die Sicherungskugeln seitlich ausweichen und den Hauptschlagbolzen freigeben, so daß er das Zündhütchen anschlägt und die Bombe zur Detonation bringt. Eine Drehung um 90° an der hin-teren Schlagbolzenhülse bei einem Ausbauversuch genügt hierzu.

Ist der chemische Auslösevorgang schon sehr weit fortgeschritten, so bringt eine noch geringere Drehung oder Erschütterung den Zünder zum Ansprechen.

Versagen des Zünders bei seitlichem Aufschlag.

Trifft die Bombe flacher als 30° oder sogar mit dem Hinterteil zuerst auf, so genügen die auftretenden Trägheitskräfte nicht, den Einbausi-cherungszylinder unter Überwindung der Federkraft der Schlagbolzenfe-der bis zum Heraustreten der Ausbausperrkugeln nach vorn zu bewe-gen. Dann wird:

    1.

die Schlagbolzenfeder nicht gespannt,

    2.

die Einbausicherungshülse nicht nach vorn bewegt, so daß die lose verschraubten Teile starr verbunden bleiben,

    3.

die Ausbausperrkugeln treten nicht seitlich aus, weil die Einbausi-cherungshülse über ihnen liegt.

   

Der Zünder kann daher nicht ansprechen, weil die Schlagbolzenfeder keine Spannung hat, und da die Ausbausperre unwirksam ist, kann er ausgebaut werden (Ausbau von Hand ist jedoch trotzdem gemäß L.Dv. 764 streng verboten).

Deshalb ist es möglich, Bomben, die nicht abgeworfen werden, nach Rückkehr des Flugzeuges wieder zu entschärfen und ohne Zünder wie-der einzulagern (Handhabungssicherheit).

Transportsicherheit:

Geht auf dem Transport zum Flugzeug oder während des Fluges, etwa durch Flakbeschuß o.ä., eine Ampulle zu Bruch, so bedeutet das keine Gefahr für die Flugzeugbesatzung, auch wenn der Zünder nur z.B. auf eine halbe Stunde eingestellt sein sollte, denn die Schlagbolzenfeder ist nicht gespannt. Die Bombe kommt dann beim Aufschlag o.V. zur Deto-nation, denn der Schlagbolzen fällt, da er durch die Kugeln und das Si-cherungsstück nicht mehr hinten festgehalten wird, infolge seiner Träg-heit sofort nach vorn und schlägt das Zündhütchen an.

So erklärt sich in manchen Fällen das Auffinden von Teilen des Lang-zeitzünders Nr. 17 bei o.V.-Treffern.

Russischer
Kopfzünder
Ch W S
(Abb. 303)
285.

Der Kopfzünder Ch W S ist ein einseitig wirkender sprengkräftiger Auf-schlagzünder. Er kann nur als Kopfzünder Verwendung finden, erlaubt nur o.V.-Würfe und spricht, da er einen Scherdraht besitzt, nur bei einwand-freien Kopftreffern an.

Er besitzt folgende Sicherungen:

  a)

Windradentsicherung durch eingeschraubte Überwurfkappe, die 4 Si-cherungsbacken (Segmente) zwischen Stößelkopf und Zünderkörper umgibt. Die Sicherungskappe mit Windrad ist vor dem Abwurf durch eine hineingesteckte zweiteilige Drahtgabel gegen vorzeitiges Abdrehen ge-sichert. Die Drahtgabel bleibt bei scharfen Abwürfen im Flugzeug hän-gen und wird, bei blinden Notwürfen mit abgeworfen.

  c)

Der Scherstift legt den Stößel im Zünderkörper fest.

  d)

Eine Abstandsfeder, die zwischen Haltescheiben und Stößel liegt, hält den Stößel in seiner vorderen gesicherten Lage fest.

 

Wirkungsweise:

Beim Abwurf wird die Sicherungsgabel herausgerissen, der Luftstrom schraubt die Sicherungskappen mit Windrad nach vorn, so daß die 4 Siche-rungsbacken (Segmente) herausfallen. Dann ist der Zünder nur noch durch den Scherdraht gesichert. Beim Auftreffen am Ziel wird der Stößel in den Zünder hineingestoßen, der Scherstift abgeschert und nach Überwindung der Abstandsfeder die Sprengkapsel angestochen, die dann ihrerseits die Detonation einleitet. Der Zünder paßt nur in kleinkalibrige Splitterbomben bis zu 50 kg. Er hat gewöhnliches Rechtsgewinde und kann von Blindgän-gern, falls ihre Sprengung am Fundort nicht möglich ist, abgeschraubt wer-den.

Einsendung
von Spreng-stoffproben aus feindli-chen Bomben
286.

Bei der Entnahme von Sprengstoffproben aus blindgegangenen feindlichen Bomben oder Zerschellern ist zu beachten, daß der Sprengstoff an mehre-ren Stellen der Bombe zu entnehmen ist. Sprengstoffgemische haben die Eigenschaft, sich beim Einfüllen in die Bombe infolge ihres verschiedenen spezifischen Gewichtes teilweise zu entmischen. Die Proben müssen daher in der Nähe des Bodens, in der Mitte und in der Spitze der Bombe entnom-men werden.

Bei der Entnahme in der Nähe der Einfüllschraube ist zu beachten, daß bei feuchtigkeitsempfindlichen Sprengstoffgemischen häufig noch eine Schutz-schicht aus unempfindlichem Sprengstoff, meist Trinitrotoluol, als luftdich-ter Abschluß aufgegossen, d.h. der Sprengstoff wird "gespiegelt". Der an dieser Stelle entnommene Sprengstoff ist gesondert zu verpacken und als "aufgegossene Schutzschicht" zu bezeichnen.

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